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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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was? Wo hast du das leere Päckchen hingetan?«
    »Weiß nich'...« Taylor zuckte die Schultern und presste das Ding noch fester an sich.
    »Schon gut.« Obwohl es Carol widerstrebte, beschloss sie, den Gegenstand vorläufig in Taylors Besitz zu lassen. »Geh, zeig deinem Vater, was du gefunden hast. Und dann wäschst du dich und ziehst deinen Spieloverall an. Okay?«
    »Okay!« Das Temperament, das Taylor plötzlich zeigte, wirkte nach der bisherigen Teilnahmslosigkeit schon fast unnatürlich. Sie sprang aus dem Bett und war im nächsten Moment schon aus dem Zimmer verschwunden. Carol hörte, wie sie die Treppe hinunter jagte.
    Das fängt ja gut an, dachte sie verstört. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie sich letzte Nacht vorgenommen hatte, in die Stadt zu fahren, und folgte ihrer Tochter.
    Als sie sich der Küche näherte, hörte sie Fisher gequält aufstöhnen.
    Offenbar hatte nun auch er Bekanntschaft mit Taylors Schatz gemacht.

    Noch ehe Carol ihr Vorhaben, in die Stadt zu fahren, ausführen konnte, kam ein weiterer Besucher.
    Diesmal war es nicht Reverend Storm, und dieser Besucher kam auch nicht auf leisen Sohlen, sondern mit wildem Sirenengeheul in einem blauweißen Polizeiwagen.
    Fisher strich gerade auf dem Hof ein paar Holzbretter, die er für Ausbesserungsarbeiten in der Wohnraumvertäfelung brauchte, und Carol räumte die letzten Gebrauchsgegenstände in Schränke und Kommoden.
    Der ohrenbetäubende Lärm lockte sie alle vor die Veranda.
    Selbst Taylor war irgendwo beim Spielen aufgeschreckt worden und herbeigelaufen. Sie trug ihren Schatz wie einen Talisman an einer Schnur um den Hals.
    Carol registrierte es mit deutlichem Unbehagen. Sie mochte das steinerne Ding nicht. Es erinnerte sie zu stark an einen religiösen Artefakt aus längst vergangener Zeit, und sie schauderte bei der Vorstellung, dass Taylor damit umging wie mit einem x-beliebigen Spielzeug.
    »Was will denn der hier?« raunte Fisher Carol zu. Er machte ein so ärgerliches Gesicht, dass sie beschloss, dem unerwarteten Besucher allein entgegenzutreten.
    »Pass ein bisschen auf deine Tochter auf«, meinte sie lachend.
    Aber er winkte ab, beugte sich zu Taylor hinunter, strich über ihr ebenholzfarbenes Haar und gab ihr einen gutmütigen Klaps auf den Hintern. »Geh wieder spielen. Das hier ist nichts für dich. Da hat nur einer etwas Räuber und Gendarm spielen wollen.«
    Taylor sah ihn aus großen Augen an. »Wer denn?«
    »Der Onkel Sheriff«, sagte ihr Vater grinsend.
    Das genügte Taylor. Sie trollte sich.
    Carol wartete, bis Fisher den Arm um sie gelegt hatte, dann gingen sie dem Sheriff gemächlichen Schrittes entgegen.

Kapitel 4

    Niemand im ganzen County hatte Sheriff Owen Farron in den vierundfünfzig Jahren, die seit dem Tag seiner Geburt nunmehr verstrichen waren, auch nur ein einziges Mal fröhlich gesehen.
    Er selbst führte als Grund dafür in vertraulichen Stammtischgesprächen stets seine frühe Heirat mit Mildred, der Tochter des Bürgermeisters, an. Aber das nahm ihm niemand ab, denn seine Frau war im Gegensatz zu ihm eine durchaus sympathische Erscheinung, wenn auch leicht übergewichtig. Doch das wertete man im Ort schmunzelnd als reine Schutzreaktion Mildreds, um von ihrem Göttergatten vor lauter Liebe nicht schier erdrückt zu werden. Denn Owen Farron wog stolze drei Zentner bei einer Größe von nicht mehr als hundertsechzig Zentimetern.
    Gut, dass wir Taylor in Sicherheit gebracht haben, dachte Carol grinsend, als sie den Sheriff heran walzen sah.
    Für ihr Empfinden grenzte es an ein Wunder, dass Farron die Uniform, die sich um seine Leibesfülle spannte, nicht einfach sprengte.
    Der Anblick faszinierte sie. Noch nie hatte sie einen Menschen gesehen, der mit seiner Kleidung auf diese untrennbare Weise verwachsen zu sein schien. Es war zweifelhaft, ob Farron sich die Mühe machte, sich täglich aufs neue aus dieser Zwangsjacke herauszuschälen. Wahrscheinlich schlief er sogar darin.
    »Machen Sie Ihre Einstandsbe-suche immer auf diese unüberhörbare Weise?« fragte Carol, als sie sich in der Mitte des Ranchhofes gegenübertraten,
    Farron kam nur zögernd zum Stehen. Es sah aus, als würde sein massiger Körper von einem verborgenen Mechanismus gewaltsam abgebremst.
    »Sind Sie Murdocks Nichte?« fragte er mit tiefer Stimme und schürzte die Lippen. Fisher behandelte er wie Luft,
    »Erraten«, antwortete Carol, die vergeblich darauf wartete, dass ihr der Sheriff irgendwie sympathisch wurde. »Was kann ich
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