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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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atmete den feuchten Modergeruch ein und glaubte einen schrecklichen Augenblick, Taylor könnte in den Brunnen gestürzt sein und von irgendwo dort unten ihre verzweifelten, kaum verständlichen Hilferufe zu ihnen hochschicken...
    Aber sie verwarf den Gedanken rasch wieder.
    Das, was diese durch Mark und Bein gehenden Laute erzeugte, war nicht ihre kleine Tochter - konnte es nicht sein!
    »Was, um Himmels willen, ist das?« stieß Carol kraftlos hervor. Zeitlupenhaft löste sie sich vom Rand des Brunnens und trat ein paar Schritte zurück.
    »Was immer es ist«, antwortete Fisher nach kurzem Zögern. »Lass uns lieber umkehren.«
    Carol nickte.
    Langsam gingen sie zum Hauptgebäude zurück, und zum ersten Mal fragte Carol sich, ob es eine gute Idee gewesen war, Big Johns Erbe anzutreten...

    Carol hätte am liebsten vor Erleichterung laut aufgeschrien, als sie ins Innere des Hauses trat und von oben Taylors helle Stimme hörte.
    Sie zog Fisher einfach an der Hand hinter sich her die Treppe hinauf, riss die Tür zu Taylors Zimmer auf und-erstarrte.
    Ihre Tochter kauerte auf dem Teppich vor ihrem Bett, hielt die Augen geschlossen und gab einen monotonen, fremdartigen Singsang von sich.
    Sie hörte gar nicht, wie ihre Eltern eintraten.
    Erst als Carol sie an den Armen packte und sanft schüttelte, brach ihr Gesang ab, und sie öffnete die Augen.
    Sie blinzelte nicht einmal. Ihr Blick war so entrückt, dass Carol unwillkürlich fröstelte.
    »Was... war das?« brachte sie mühsam hervor. »Wer hat dir das... beigebracht?«
    Taylor reagierte nicht.
    »Wer?« schrie Carol. Sie war mit den Nerven am Ende.
    »Spottet Fawn«, hauchte Taylor.
    Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen.
    Carol sah es irgendwann ein. Gleichzeitig versuchte sie sich einzureden, dass es für alles sicher eine ganz harmlose Erklärung gab.
    Den Rest des Nachmittags verbrachte sie mit Taylor auf ihrem Zimmer, und allmählich wurde das Verhalten ihrer Tochter wieder normal.
    Nur eines gab Carol zu denken.
    Die blutrote Feder, die sie auf den Nachttisch gelegt hatte, war - und blieb - unauffindbar...

Kapitel 5

    Eine Woche verstrich relativ ereignislos.
    Carol lebte sich mit ihrer kleinen Familie auf der Ranch ein und erkundete in freien Minuten zusammen mit Fisher und Taylor das Anwesen, um ihm seine Schrecken zu nehmen.
    Die beste Zeit der Ranch lag lange zurück, aber mit einiger Phantasie konnte man sich vorstellen, wie es früher hier zugegangen sein mochte, als alles noch vor Leben und Aktivität sprühte. In Big Johns Jugendzeit.
    Es war Samstag.
    Fisher war mit Taylor in die Stadt gefahren und würde erst in : ein paar Stunden wieder zurückkehren.
    Carol war nicht unglücklich darüber, endlich ein paar ungestörte Stunden verbringen zu können.
    Die größte Umzugshektik war nun vorbei, und sie wollte endlich wieder etwas Kreatives leisten.
    Mit viel Liebe hatte sie sich im höchsten Zimmer des Ranchgebäudes, direkt unter dem schrägen Giebeldach, ein gemütliches Domizil für ihre Arbeit eingerichtet.
    Während Fisher im Erdgeschoß inmitten eines Dschungels aus Drähten, Monitoren, Tastaturen und Druckern hauste, erledigte Carol ihren Job immer noch wie vor hundert Jahren, nämlich mit Federhalter und Tinte und weißem Papier, das ihr immer wieder das Gefühl gab, sie erwartungsvoll anzustarren, bis sie die ersten Zeilen schrieb.
    Sie arbeitete gerade an einem Buch für Kinder ab etwa zwölf Jahren.
    Die Grundidee stand längst; das Ganze würde ein großangelegtes Abenteuer mit vielen Fantasy-Elementen werden. Ihr Herausgeber hatte den Handlungsentwurf genehmigt, und Carol hatte sich selbst drei Monate für die Fertigstellung des Romans eingeräumt.
    Sie war gerade tief in Gedanken versunken, als sie plötzlich das Gefühl beschlich, nicht mehr allein im Haus zu sein.
    Waren Fisher und Taylor zurückgekommen?
    Sie hatte schon öfter solche Momente gehabt, in denen sie die Ankunft von sehr nahestehenden Personen gespürt hatte, noch ehe sie zur Tür hereinkamen.
    Genau so war es jetzt.
    Sie legte den Federhalter beiseite und stand auf.
    Mit wenigen Schritten war sie an der Tür und öffnete sie.
    »Tay!« rief sie nach unten. »Seid ihr es?«
    Sie hatte keinerlei Motorengeräusch gehört, und auch im Haus war es völlig still.
    Dennoch war Carol fast sicher, sich nicht zu täuschen. Jemand war gekommen!
    »Mister Hooker?« Der Notargehilfe hatte vor ein paar Tagen angerufen und seinen Besuch angekündigt, weil noch einige Unterschriften zu
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