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Valhalla: Thriller (German Edition)

Valhalla: Thriller (German Edition)

Titel: Valhalla: Thriller (German Edition)
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Februar 1944 …
    D er Orkan peitschte den Schnee in Wellen über das Eis. Er zersprengte den Atem, machte den Mann stumm und taub. Nadelspitze Kristalle drangen unter die Kapuze und bohrten sich in seine Haut. Das Heulen war ohrenbetäubend. Eine Kakophonie verdammter Seelen, die mit ihren Schreien die Dunkelheit erfüllten.
    »Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name …«
    Der Wind drückte ihm die Stimme zurück in den Hals. Siebzig Stundenkilometer, Tendenz steigend. Seine Lungen schmerzten. Es war, als hätte man der Luft jeglichen Sauerstoff entrissen.
    Die Sicht war auf unter zwanzig Meter gefallen. Selbst das zuckende Licht der Lampe vermochte die Finsternis nicht zu durchdringen. Keuchend unterbrach der Mann seinen Lauf, lüftete den Pelzkragen und linste über den Rand des Schals. Wo war nur diese vermaledeite Hütte? Eigentlich hätte sie genau hier sein sollen. Hier, wo er stand. Stattdessen brüllende, zornige Finsternis. Panik überfiel ihn. Erst gestern hatte er noch zur Wetterstation hinübergeblickt, da war die Luft windstill gewesen und der Himmel klar. Ein Traum von einer arktischen Winternacht, mit Sternen, die bis zum Boden reichten. Doch hier auf Spitzbergen konnte das Wetter binnen weniger Stunden umschlagen. Dann ließ es den Menschen spüren, dass er nur geduldet war.
    Die Wetterstation
Heißsporn
befand sich gut einen Kilometer vom Eingang der Forschungseinrichtung entfernt, doch bei diesem Wetter hätte sie genauso gut am anderen Ende der Welt liegen können. Und er hatte in der Eile vergessen, den Kompass einzustecken.
Idiot, hirnverbrannter.
Es waren schon Männer wegen geringerer Vergehen gestorben – verirrt, verloren, im Eis gefangen und erst zur Schneeschmelze wiederaufgetaucht wie starr gefrorene Rinderhälften. Andererseits, ob der Kompass unter diesen Verhältnissen überhaupt funktioniert hätte? Nadeln konnten einfrieren, magnetische Unregelmäßigkeiten zu Abweichungen führen.
    Eine neue Böe fegte über ihn hinweg und riss ihn beinahe von den Füßen.
    Der Mann rammte seine Stöcke ins Eis und klammerte sich fest. Unter Aufbietung all seiner Kräfte wartete er den arktischen Wutausbruch ab, dann zog er sich mit den Armen weiter vorwärts. Seine Tränen gefroren zu Eis. Immer ein Schritt nach dem anderen, so hatte es ihnen ihr Ausbilder beigebracht. Nur nicht den Halt verlieren. Zurückgehen war ausgeschlossen, nicht nach dem, was geschehen war. Nicht nach dem, was er
gesehen
hatte.
    Er spürte das Feuer durch seine Adern rauschen. Eine unnatürliche Hitze, die sich tief in seine Eingeweide fraß. Obwohl hier draußen 30 Grad minus herrschten, schien er innerlich zu kochen. Was hatten sie getan? Was hatten sie nur angerichtet?
    Zur Beruhigung seiner fiebrigen Nerven und in Ermangelung einer besseren Idee begann er, leise vor sich hin zu summen. Falsch und verstockt erst, dann mit der Zeit sicherer und beherzter. Er spürte, dass die Füße auf seine Stimme reagierten. In dieser lebensfeindlichen Umgebung war jeder menschliche Laut willkommen.
    »
Ein Jä… Jäger aus Kurpfalz, der reitet durch den grünen Wald, er schießt d… das Wild daher, gleich wie es ihm gefällt. Hur…ra, hurra, gar lustig ist die Jägerei, all…hier auf grüner Heid’, allhier auf grüner …«
    Er verstummte.
    Drüben, am äußeren Rand seines Sichtfeldes, war ein kurzes rotes Blitzen zu sehen gewesen. Er schaltete die Lampe ab, und sofort war die Finsternis wieder da. Laut, brüllend, erstickend. Er hielt den Atem an, versuchte, seine Panik zu bezwingen.
    Da. Da war es wieder. Das Positionslicht des Wetterpostens. Viel weiter rechts als erwartet, aber immerhin. Vermutlich hatte der Wind für die Abdrift gesorgt. Und dabei hatte er sich so bemüht, die Richtung zu halten. Er spürte einen Anflug von Hoffnung. Wenigstens für den Moment war er gerettet.
    Mit neu erwachtem Mut machte er sich auf den Weg. Jeder Schritt, den er zwischen sich und die Forschungseinrichtung brachte, war eine Erleichterung. Er wollte nur noch weg. Weg von dieser kalten Insel, weg aus der ewigen Finsternis und Einsamkeit, vor allem aber weg von dem Grauen, das hinter ihm unter dem Eis lauerte.
    *
    Oberleutnant Karl-Heinz Kaltensporn fiel es schwer, seine Augen von der Karte abzuwenden. Das Wegenetz war ungeheuer. Viel größer als zunächst gedacht. Ein einziges gewaltiges Labyrinth aus Gängen, Stollen und Wegen, das keiner richtigen Logik zu folgen schien. Weder gab es Kanten noch rechte Winkel noch ebene
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