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Valhalla: Thriller (German Edition)

Valhalla: Thriller (German Edition)

Titel: Valhalla: Thriller (German Edition)
Autoren: Thomas Thiemeyer
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im Rechner zusammensetzten. Auf diese Weise konnten Gebäude rekonstruiert werden, die vor Jahrhunderten eingestürzt waren, und zwar ehe man auch nur einen einzigen Stein anfassen musste. Das Ganze glich einem einzigartigen dreidimensionalen Puzzlespiel, bei dem jeder Stein individuell geformt war und mit den anderen in einem Verbund gänzlich ohne Mörtel zusammenhielt. Selbst die Schwerkraft und ihre Auswirkungen auf die darunterliegenden Felsblöcke wurden rechnerisch mit einbezogen. Erst wenn der Tempel vollständig rekonstruiert war, konnte man damit beginnen, die durchnumerierten Blöcke in der Realität zusammenzusetzen. Ein ungeheurer Vorteil, wenn man bedachte, dass so ein Tempel aus bis zu tausend einzelnen Steinen bestehen konnte.
    Auch Prasat Prei war zum großen Teil in sich zusammengefallen. Der große Hauptturm allerdings stand noch. Majestätisch erhob er sich über die Rasenfläche und ließ das Licht der untergehenden Sonne auf seinen Flanken schimmern. Zu dieser Stunde und so völlig verlassen von Menschen, wirkte er wie ein verwunschener Palast aus Tausendundeiner Nacht.
    Hannah trat auf die Lichtung hinaus und sah sich um. Ihr Lebensgefährte war nirgends zu sehen.
    »John?«
    Ihr Ruf verklang in der Ferne.
    »Bist du da?«
    Keine Antwort.
    Hannah zog den Brief aus der Tasche und überflog noch einmal die Zeilen.
18 Uhr
. Gut, sie hatte sich ein paar Minuten verspätet, aber John würde doch bestimmt auf sie warten. Er wusste, dass Uhrzeiten hier draußen immer nur eine vage Annäherung bedeuteten. Hatte sie sich im Tag geirrt? Sie drehte die Notiz um, aber es stand kein Datum drauf.
    »John?«
    Immer noch nichts.
    Nun, vielleicht war sie ja diejenige, die zu früh dran war. Machte nichts, dann nutzte sie die Zeit eben, um sich ein bisschen umzuschauen.
    Sie war schon lange nicht mehr hier gewesen. Die Ruinen erschienen ihr wie aus einem Hollywoodfilm. Tatsächlich waren unweit von hier, im Bayon Tempel, Teile des Films
Tomb Raider
gedreht worden. Die Verfilmung des gleichnamigen Videospiels mit Angelina Jolie in der Rolle der unverwüstlichen Lara Croft war der finanziell erfolgreichste Actionfilm aller Zeiten, in dem ein weiblicher Star die Hauptrolle spielte. Die Dreharbeiten hatten im Jahr 2000 hier stattgefunden und Kambodscha »zurück auf die Landkarte« gebracht, wie es im Pressetext zum Film so vollmundig hieß. Welch großen Einfluss die Kinoindustrie mittlerweile auf den Fremdenverkehr hatte, ließ sich an der Zahl der Touristinnen ermessen, die sich in Lara-Croft-Pose von ihren Begleitern vor dem Tempel ablichten ließen. Der Film war herrlich albern und fernab jeglicher Realität, aber immerhin konnte man ein paar Gesichtstürme sowie die sensationellen Reliefs des Tempels bewundern. Sie zogen sich um die gesamte innere Galerie und erzählten aus dem Alltag der Khmer. Vom Leben im Palast, von den Besuchen chinesischer Gesandter – die an ihrem Haarschmuck und ihrer Kleidung zu erkennen waren –, von Königen und Königinnen und natürlich von den vielen Schlachten, die zum Erhalt des Reiches geschlagen worden waren. So konnte man zum Beispiel eine Seeschlacht bewundern, bei der ein getöteter Soldat aus dem Boot geworfen und von hungrigen Krokodilen gefressen wurde.
    Hannah schlenderte an der Hauptfront des Turms vorbei und blieb kurz stehen. Im Inneren brannte eine einzelne Kerze. Was mochte das bedeuten? Neugierig betrat sie das Dunkel.
    »John?« Ihre Stimme hallte von den Wänden wider.
    Es roch feucht und modrig. Die Kerze stand hinter einer Absperrung am Fuß eines wackelig aussehenden Holzgerüsts, auf dem eine Staffel von Leitern in Abschnitten steil nach oben führte. Gleich auf der ersten Zwischenstufe befand sich eine zweite Kerze, und eine dritte noch weiter oben.
    Keine Frage, jemand war hier.
    Aber wer? Niemand würde es wagen, unbeaufsichtigt in einem Tempel Feuer brennen zu lassen. Die Antwort lag auf der Hand.
    Wieder spürte Hannah ihr Herz klopfen, diesmal stärker.
    Sie sah sich kurz um, stieg über die Absperrung und setzte ihren Fuß auf die Leiter. Der Botschaft aus Lichtern folgend, stieg sie nach oben.
    Sie hatte die vierte Ebene erreicht, als ihr Aufstieg unvermutet gestoppt wurde. Die Leiter endete an einer hölzernen Decke, die mit einer Falltür versperrt war. Das Holz sah alt aus, war also vermutlich vor etlichen Jahrzehnten hier eingezogen worden. Hannah warf einen kurzen Blick nach unten, bereute diese Entscheidung aber sofort wieder. Der Höhe
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