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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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ganzes Jahr seines Lebens für die Armee opfern zu müssen. Er hatte behauptet, er leide unter Angstzu­ ständen und merkwürdigen Halluzinationen. Außerdem hatte er über Rückenschmerzen geklagt und kläglich gehumpelt. Die Vorführung hatte den abgehärteten Sanitätsmajor der Armee nicht sonderlich beeindruckt. Sorjonen war für leicht gestört, aber dennoch dienst­ tauglich befunden und zur Ableistung seiner Wehr­ pflicht in die Küstenartillerieabteilung von Suomenlinna abkommandiert worden. Bei der Entlassung in die Re­ serve war er Sanitätsunteroffizier.
    Seiner Meinung nach wurden die modernen Kriege durch die Massenvernichtungswaffen entschieden. Nach dem Störfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl und dem Golfkrieg war er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Menschheit einen Atomkrieg nicht überleben würde: Alle würden getötet werden, sowohl die Soldaten als auch die Zivilbevölkerung. Ein einzelner Unteroffizier würde in einem solchen Krieg kaum ins Gewicht fallen.
    Panzersergeant Taavetti Rytkönen säbelte sein bluti­ ges Steak in große Stücke und stopfte sie in den Mund, trank ein paar Gläser Schnaps dazu und spülte mit kaltem Bier nach. Sorjonen speiste geräucherte Maräne und nippte an seinem trockenen Weißwein. Er erzählte, er habe sich auf seinen Reisen durch Europa an leichte Weine gewöhnt.
    »Du bist ein anständiger Kerl, wenn auch als Mann ein bisschen nichtssagend, so wie viele der heutigen Jugend«, erklärte Rytkönen seinem Begleiter. Dann hob er die Heldentaten seiner eigenen Generation hervor, am Beispiel seiner Erfahrungen als Hilfsschütze eines Pan­ zerwagens im Jahr 1942. Es war Winter gewesen, und seine Truppe, die ihren Standort damals in Lotinapelto in Syväri gehabt hatte, war zu einer nächtlichen Aufklä­ rungs- und Vernichtungspatrouille auf das Eis des Ladoga geschickt worden. Man hatte Bewegungen des Feindes in der Uferzone registriert und befürchtete, die Russen wollten auf dem Eis einen Flugplatz oder Stütz­ punkt errichten. Drei Panzerwagen waren ausgeschickt worden, allesamt alte Vickers. Jeder war mit einer russi­ schen Fünfundvierzig-Millimeter-Beutekanone bestückt gewesen, mit denen man sich auf das Eis wagen konnte, da sie jeweils weniger als zehn Tonnen wogen.
    »Der Russe hatte in der Nacht zuvor Spalten ins Eis gesprengt, dadurch war Wasser aufs Eis geflossen, und wir krochen nun mit unseren Fahrzeugen durch dicken Matsch. Die beiden anderen Panzer froren schon auf der Hinfahrt im Eis fest, unserer jedoch nicht. Wir bewegten uns bei vierzig Grad Frost und dickem Nebel in Richtung Tihvinä und fuhren fünfzig Kilometer weiter wieder an
    Land.
    In der Morgendämmerung sahen wir auf einer mit Kiefern bestandenen Landzunge eine große Schar Vögel auf reifbedeckten Bäumen sitzen. Wir näherten uns ihnen auf hundert Meter. Es waren fast zwanzig große Birkhühner! Sie neigten nur die Köpfe und flogen nicht weg, obwohl der Panzer ziemlich starken Lärm machte. Sie mochten bei so tiefem Frost nicht fliegen. Wir ver­ suchten, sie mit Handfeuerwaffen zu erlegen, aber mit der Pistole triffst du ja kein Birkhuhn. Da fragte ich unseren Geschützführer, ob ich es mit der Kanone versuchen dürfte. Er genehmigte mir eine Granate. Er sagte, wir könnten so gleichzeitig die Waffe ausprobie­ ren. Ich zielte mit der Kanone sorgfältig auf den Stamm der dicksten Kiefer, etwa einen halben Meter unter den Birkhühnern, und feuerte. Der Wipfel der Kiefer ver­ schwand aus der Landschaft und mit ihm auch die Birkhühner. Wir rannten hin und fanden sechs der Vögel unter den Bäumen. Einige waren tot, die anderen schlugen halb tot mit den Flügeln um sich. Der Luft­ druck hatte sie heruntergeholt. Wir sammelten die Beute ein und fuhren weiter in Richtung Tihvinä. Die Sache hatte uns mächtigen Spaß gemacht.
    Nach einstündiger Fahrt entdeckten wir einen Küs­ tenstützpunkt der Russen. Da waren mindestens zwan­ zig Panzer in der Erde vergraben. Ich schoss das Versor­ gungsgebäude und einen Panzer in Brand. Es war ein neues Modell, wir nannten es Klim Worosilow. Der Mor-gen dämmerte. Im Landesinneren machten wir im Wald noch zwei Unterstände platt und zerstörten den Pferde­ stall, dabei erbeuteten wir mehr als zehn Pferde. Ich fand in den Trümmern der Unterstände zwei unversehr­ te Säcke mit Weizenmehl und eine Kiste mit Speck. Wir nahmen alles mit, stopften es zu den Birkhühnern unten in unseren Panzer zwischen die Granaten. Die Pferde
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