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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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sanfter Hand gepflegt, sie erwecken mit ihren Linien auch dann noch Interesse, wenn die robustesten Lastwagen längst ver­ schrottet sind. Die sich aufopfernden Mütter von Groß­ familien wiederum sind wie zuverlässige Busse, die immer pünktlich sind und nie jemanden stehen lassen.
    Bei diesen Gedanken passierte Sorjonen die Abzwei­ gung nach Hyvinkää. Er war drauf und dran, seinen Fahrgast zu fragen, ob er hier abbiegen solle, doch da der Alte schlief, beschloss er, nach Hämeenlinna weiter­ zufahren. Sie kamen an Riihimäki vorbei. Sorjonen hatte Lust, das Eisenbahnmuseum zu besuchen, doch er wollte den schlummernden »Lastwagen« nicht wecken. Also weiter nach Hämeenlinna. Sorjonen beschloss, in die Stadt hineinzufahren, er hatte jetzt so viele Kilometer Autobahn hinter sich, dass er sich nach gemäßigterem Tempo sehnte.
    Taavetti Rytkönen erwachte im Stadtzentrum vom häufigen Anhalten des Autos. Er rieb sich die Augen und fragte, wo man sich befinde.
    »In Hämeenlinna. Wir sind gerade angekommen.« »In Hämeenlinna? Wieso denn das?«, fragte Rytkönen. Sorjonen erklärte, er sei nach eigenem Ermessen in
    nördliche Richtung gefahren und auf diese Weise hier gelandet. Sie hätten vereinbart, dass er fahren solle, egal, wohin. Hauptsache, man sei unterwegs.
    »Tatsächlich? Und wohin fahren wir jetzt?«, fragte Rytkönen.
    Sorjonen erwiderte, zumindest in seinem Auto be­ schließe üblicherweise der Kunde, wohin es gehe. Er selbst sei nur der Fahrer.
    »Dann fahren wir doch einfach immer weiter«, ent­ schied Rytkönen.
    Sorjonen hielt am Straßenrand an und drehte sich zu seinem Fahrgast um. Rytkönen holte aus der Brustta­ sche seines Jacketts ein dickes Geldbündel und schwenkte es vor Sorjonens Augen. Der nickte. Jetzt war er bereit, die Fahrt fortzusetzen.
    Sie kamen am Hotel Aulanko vorbei. Taavetti Rytkö­ nen lebte auf, er erinnerte sich, dass er dort oft über­ nachtet hatte, so schien es ihm jedenfalls.
    »Irgendwo hier im Wald müsste ein steinerner Turm sein. Kann man da mit dem Taxi hinfahren?«
    Sorjonen fand den Weg. Er fuhr auf der kurvenrei­ chen, schmalen Asphaltstraße in den Volkspark Aulan­ ko. Später führte der Weg steil bergauf, seitlich schim­ merten kleine Teiche, auf denen Schwäne schwammen. Der Wald war dicht und von gespenstischem Zauber, es gab viele Baumarten aus fernen Ländern, dazwischen kleine Bäche, die von üppigen exotischen Pflanzen um­ wuchert waren. Direkt an der Straße entdeckten sie bald ein Märchenschloss aus Stein und ein hübsches hölzer­ nes Gartenhäuschen. Auf dem Gipfel des Berges erhob sich schließlich der massive Aussichtsturm aus Granit, und diesen erstiegen der Taxifahrer und sein Kunde.
    Sorjonen entnahm der Informationstafel, dass die An­ lage samt Lustschloss und Aussichtsturm um die Jahr­ hundertwende von dem exzentrischen Oberst und Groß­ kaufmann Standertskjöld errichtet worden war, der durch den Verkauf von Gewehren und Bajonetten an die kaiserliche russische Armee großen Reichtum erworben hatte.
    Von der obersten Plattform des Granitturms aus sah man weit ins prachtvolle Häme hinein. Taavetti Rytkö­ nen ließ seinen Blick über das Land schweifen. Er äu­ ßerte ein wenig bedauernd, dass das Vermessen dieser
    Landschaft, wäre er ein junger Mann, eine wunderbare Aufgabe wäre. Hier hätte man Hügel, Seen mit vielen Buchten, dichte Wälder und Dörfer, alles nur Denkbare auf ein und derselben Karte.
    Sorjonen fragte, ob sein Fahrgast in der Landvermes­ sung tätig gewesen sei. Taavetti Rytkönen bejahte. Er erzählte, dass er im Sommer 1945 Mitglied in einem Vermessungstrupp gewesen sei, der die neue Staats­
    grenze in Karelien abgesteckt habe, und zwar von Värt­ silä bis in die Einöde nordöstlich von Ilomantsi. Man habe neue Linien in die finsteren Wälder geschlagen. Die Arbeit sei gemeinsam mit den Russen verrichtet worden. Das sei zuweilen nervenaufreibend gewesen, denn die Männer aus dem Nachbarstaat hatten sich bei der Grenzziehung als sehr eigensinnig erwiesen. Die Holzfäl­ ler, die den Einschlag machen sollten, seien ihnen ge­ folgt. Auch diese Arbeit habe ursprünglich gleichmäßig auf beide Nationen verteilt werden sollen, doch die Rus­ sen hätten nichts vom Bäumefällen verstanden. So hätten die Finnen die Sache übernommen. Wäre die Aufgabe in der Zuständigkeit der Russen geblieben, dann wäre man in zehn Jahren noch nicht mit der Grenze fertig gewesen. Hin und wieder hätten die
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