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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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das Auto durch den Verkehr und fuhr aus einer momentanen Eingebung heraus auf dem Ring in nördliche Richtung. Da sein Fahrgast nicht protestierte, brauste er bis Pitäjänmäki und Konala durch. Dort erkundigte er sich, ob er noch auf dem richtigen Weg sei und wo sich denn das Ziel befinde. Ärgerlich erwiderte Rytkönen: »Natürlich ist dies der richtige Weg, alle Wege sind richtig.«
    Sorjonen bekam Zweifel. Hoffentlich hielt ihn der Fahrgast nicht zum Narren und ließ ihn ziellos in den Außenbezirken herumkurven. Er bat den Alten, ihm die Adresse zu nennen, das würde das Erreichen des Ziels doch sehr erleichtern.
    Taavetti Rytkönen wurde ungehalten. Was, zum Teu­ fel, ging es den Fahrer an, wohin er wollte. Er fand, ein freier finnischer Mann habe das Recht, mit dem Taxi bis in den hintersten Winkel des Landes zu fahren. Die Aufgabe des Chauffeurs war lediglich das Steuern des Fahrzeugs. Also sollte er gefälligst Vollgas geben, solan-ge er vier Räder unter dem Hintern hatte und der Tank voll war. Und für den Fall, dass das Benzin ausgehen sollte, gab es schließlich Tankstellen.
    Sorjonen war es recht. Er fuhr die Landstraße in Richtung Hämeenlinna und erklärte, die Adresse spiele eigentlich keine Rolle. Er habe lediglich in seinem Job die kleinliche Gewohnheit angenommen, stets bei Antritt der Fahrt nach dem Ziel zu fragen. Wenn der Fahrgast die Adresse nicht nennen wolle, sei das seine Sache. Schließlich gebe es genügend Adressen in diesem Land, Hunderttausende. Bewohnte und unbewohnte Gegen­ den. Also nur keine Panik, man werde einfach weiterfah­ ren, und zwar so schnell, wie es erlaubt war, und sogar noch ein wenig mehr.
    »Ganz meine Meinung«, knurrte Taavetti Rytkönen auf dem Rücksitz.
    Seppo Sorjonen trat aufs Gas, sie wechselten auf die Überholspur. Bald befanden sie sich auf der neuen Autobahn Richtung Hämeenlinna. Mit einem lauten Aufheulen schoss der Wagen davon. Schweigend fuhren sie in nördliche Richtung. Taavetti Rytkönen war erleichtert. Jetzt war er unterwegs, es geschah etwas, er fühlte sich sicher. Vom gleichmäßigen Fahrgeräusch wurde er müde und schlief auf dem Rücksitz ein.
    Seppo Sorjonen genoss die Fahrt über Land, es tat gut, die ewigen Helsinkier Staus einmal hinter sich zu lassen. Er fuhr seit einem Jahr Taxi, und die Arbeit gefiel ihm nicht besonders gut. Vor allem die Nacht­ schichten waren hart, die ordinären Huren und die kotzenden, zudringlichen Säufer waren unangenehme Fahrgäste. Besser waren allerdings auch jene nicht, die sich zum Flugplatz bringen ließen, Geschäftsleute, die es betont eilig hatten und vor lauter Reisefieber große Reden schwangen, so als hätten sie wer weiß wie viel von der Welt gesehen. Sorjonen war selbst häufig ge­ reist, einmal sogar bis nach Neuseeland. Besonders gern erinnerte er sich an eine lange Reise, die er vor zwei Jahren gemacht hatte. Damals hatte er sich im Sommer einer merkwürdigen Selbstmordgruppe angeschlossen. Sie waren mit einem Luxusbus durch Finnland und dann quer durch Europa gefahren. Bis nach Portugal waren sie gekommen, dort war der Bus aus Versehen – oder weshalb auch immer – einen Abhang hinunter ins Meer gestürzt.
    Der schlafende Alte auf dem Rücksitz machte einen ganz passablen Eindruck. Er schien so um die siebzig zu sein und hatte bestimmt eine Menge Kilometer auf dem Buckel. In gewisser Weise lässt sich ein Mensch, zumin­ dest ein Mann, mit einem gebrauchten Auto vergleichen. Einem Menschen sieht man an, welches Baujahr er ist und welche Strecke er bereits zurückgelegt hat. Beim Mann erkennt der kundige Betrachter, ob die Stoß­ dämpfer noch in Ordnung sind, ob die Kupplung funkti­ oniert, ob der Kolben festgefressen ist. Männer sind wie Lastwagen, die alten Männer sind alte Laster, die jungen Männer neuere. Natürlich gibt es auch Männer, die mehr an Mopeds oder Wasserskooter erinnern.
    Eine Frau ist immer ein Personenwagen, sofern sie überhaupt ein Auto ist. Eine schöne Frau erinnert in jungen Jahren an ein wohlgeformtes Kabriolett, doch wenn sie häufig nachts unterwegs ist, hält die Karosse­ rie nicht stand. Sie bekommt Beulen, die Farbe blättert, die Schweller rosten. Beim Zurücksetzen geht das Rück­ licht kaputt, und ein neues anzubringen lohnt sich nicht mehr.
    Dann gibt es noch weibliche Personenwagen, die ü­ berhaupt nicht altern, sondern über die Jahre hinweg zeitlos bleiben, echte Klassiker durch die ganze Automo­ bilgeschichte hindurch. Sie werden mit
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