Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0599 - Die Kralle

0599 - Die Kralle

Titel: 0599 - Die Kralle
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Der warme Nachtwind schüttelte das Laub von den alten Bäumen.
    Einige Blätter, nicht fest genug an den Zweigen hängend, lösten sich, taumelten dem Erdboden entgegen und blieben auf dem alten Friedhof liegen.
    Es war ein ungastlicher Ort, in der Nacht noch viel mehr als am Tag. Die Bäume, die Steine, die alten Gräber, selbst neue waren schon nach wenigen Wochen verwildert. Liebespaare schreckten von einem Besuch des Totenackers zurück. Sie trauten sich nicht zwischen die moosbedeckten Grabsteine, weil sie ständig das Gefühl hatten, von den Toten beobachtet zu werden.
    Zudem wirkten viele Grabstätten so, als hätten sie Geheimnise zu verbergen. Besonders die älteren duckten sich in die langen Schatten der Hecken und Sträucher, als wollten sie sich zurückziehen und auf keinen Fall entdeckt werden.
    Eine der längeren Grabstätten lag am Rande des Friedhofs, wo wilde Brombeerbüsche selbst die Steinmauer überwuchert hatten.
    Das Grab gehörte zu den neueren; vor gut einem Jahr war hier jemand zur letzten Ruhe gebettet worden.
    Dennoch hob es sich kaum von den anderen ab. Auf der Fläche breitete sich Efeu aus. Die Pflanze wucherte schlangengleich von verschiedenen Seiten heran, um das Rechteck zu bedecken. Selbst die Kantsteine an den Seiten waren nicht mehr zu sehen. Der Grabstein selbst schaute wie ein drohend erhobener Zeigefinger aus dem weichen Erdreich, als wollte er gegen den dichten Wirrwarr des Brombeerbusches kratzen.
    Ein Name hatte mal auf dem Stein gestanden. Feuchtigkeit und wachsendes Moos hatten schon innerhalb eines Jahres die Lücken gefüllt, so daß von den Buchstaben nichts mehr zu erkennen war.
    Wer hier lag, der war vergessen worden, denn keine frische Blume stand auf dem Rechteck, niemand pflegte das Grab.
    Es war so jung und blieb doch so verlassen.
    Tage und Nächte wechselten sich ab. Der Friedhof lag da und lauerte auf neue Besucher.
    Hin und wieder wurde hier jemand begraben, Leute, die diesen Wunsch bereits zu Lebzeiten schriftlich niedergelegt hatten. Ansonsten war der Privatfriedhof tabu.
    So konnte er dahindämmern wie ein gewaltiges, müdes Monster, das nur ab und zu einmal Luft holte.
    Aber es blieb nicht ruhig. In einer der warmen und schwülen Sommernächte, als der Wind wie ein kaum abgekühlter Hauch aus der Hölle über den Totenacker strich, mit den Zweigen der Büsche spielte, die Blätter zittern ließ, da geschah das Unheimliche.
    Es passierte dort, wo das einsame Grab fast geduckt in der Ecke verborgen lag. Der Grabstein blieb wie ein Wächter stehen, als wollte er nach vorn schauen, wo sich die braune, von Efeu überwucherte Erde urplötzlich bewegte.
    Es entstanden keine Risse, dazu war der Boden zu feucht, aber der von unten her hochsteigende Druck sorgte für die Wellenbewegungen der Graberde.
    Irgend etwas tat sich in der Tiefe. Es wirkte so, als wollte der Tote sein feuchtes Erdreich verlassen.
    Käfer krabbelten silbrig schimmernd aus den Lücken. Kleine Klumpen rollten zur Seite, wurden von den Kantsteinen gestoppt, und die Erde öffnete sich noch weiter.
    Es war nichts zu sehen, eine Lücke, wenn sie mal entstand, wurde sehr schnell wieder aufgefüllt, aber das Etwas, das in der Grabtiefe lauerte, gab nicht auf.
    Es drückte weiter…
    Höher und höher kam es. Sein Druck war wie ein Befehl aus der Tiefe, und nichts existierte mehr, das ihn hätte stören können. Das Grab mußte dem harten Pressen Tribut zollen.
    Wer kam aus der Tiefe?
    War es wirklich der Tote, der es nicht mehr ausgehalten hatte?
    Niemand war da, der den unheimlichen Vorgang beobachtete und eine Antwort hätte geben können.
    In den Bäumen hockten die Vögel und schliefen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt flatterten sie plötzlich hoch, herausgerissen aus dem tiefen Schlaf. Hastig flogen sie weg.
    Die sensiblen Tiere hatten sehr genau gespürt, daß das Grauen nicht mehr aufzuhalten war.
    Und es stieg weiter!
    Urplötzlich stach es aus der Erde hervor, als wollte es sich irgendwo festhaken.
    Ein jeder hätte mit einer Skelett oder Totenhand gerechnet, das aber war es nicht.
    Aus der Grabmitte schaute eine matt glänzende Klauenhand aus Metall hervor…
    Der Anfang war gemacht, ein unheimlicher Rächer kehrte zurück, um abzurechnen…
    ***
    »Holst du die Post, oder soll ich sie holen?« fragte Bill Conolly, der auf der Terrasse saß, die Beine ausgestreckt hatte und seiner Frau Sheila fragend zulächelte.
    »Geh du mal.«
    »Immer ich!« stöhnte Bill und schwang seinen gebräunten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher