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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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Nummer stünde, wäre es sinnlos, anzurufen. Ich könnte ja nicht ans Telefon gehen, weil ich hier bin. Kein Mensch kann sich selbst anrufen.«
    »Nein, natürlich nicht, aber deine Frau könnte zu Hause sein und sich melden.«
    Rytkönen erschrak.
    »Eine Frau? Habe ich denn eine?«
    Sorjonen sagte, das könne man nie wissen. Viele Ta­ xikunden hätten Ehefrauen. Aber da es keine Telefon­ nummer gebe, käme man auf diesem Weg sowieso nicht weiter.
    Er schlug vor, Taavetti Rytkönen solle auf gut Glück ein paar Rytkönens anrufen und fragen, ob sie mit ihm verwandt seien. Vielleicht erinnere sich jemand an ihn und könne ihn zu seinen Wurzeln zurückführen.
    »Nie im Leben! Ich rufe doch keine Unbekannten an, jedenfalls keine Rytkönens.«
    Sorjonen erklärte ihm, er habe gar keine andere Wahl, als den Versuch zu wagen. Er, Sorjonen, werde die Nummern wählen, Taavetti brauche nur zu sprechen.
    Sie begannen oben in der Spalte. Aarne, Aila, Aulis Rytkönen, niemand meldete sich. Dann klappte es. Eine gewisse Amalia Rytkönen rief: »Hallo?«
    »Hier spricht Taavetti Rytkönen, kennen Sie mich vielleicht? Möglicherweise sind wir verwandt…«
    Amalia knallte den Hörer auf. Die Männer versuchten es bei anderen Rytkönens.
    Taavetti variierte die Frage: »Haben Sie Taavetti Ryt­ könen gesehen? Aha, also nicht, Sie kennen ihn nicht… nun, das macht nichts. Danke und auf Wiederhören.«
    »Kennen Sie vielleicht Taavetti Rytkönen? Nein? Schade, trotzdem vielen Dank.«
    Sie riefen hintereinander zweihundertfünfzig Rytkö­ nens an, alle, deren Nummern im Telefonbuch aufge­ führt waren. Sie verwendeten den ganzen Nachmittag darauf, viele Stunden. Manchmal stellte Sorjonen die Fragen, manchmal fragte Taavetti nach sich selbst. Sie gaben den Teilnehmern, die sich meldeten, eine genaue Personenbeschreibung, doch auch das half nichts. Niemand kannte Taavetti Rytkönen. Die Angerufenen verhielten sich sehr unterschiedlich, die meisten waren misstrauisch, einige wurden wütend, manche wollten aber auch helfen: Sie kannten Tanelis, auch ein paar Taavis, Teuvos oder Teukkas, aber keinen einzigen Taavetti.
    Die ermüdende Aktion brachte ihnen lediglich eine horrende Telefonrechnung ein. Taavetti Rytkönen seufz­ te erschöpft und sagte, er wolle ins Restaurant hinun­ tergehen und sich einen Schluck zur Aufmunterung genehmigen,
    Seppo Sorjonen möge ihn doch begleiten. Taavetti Rytkönen steckte seine lange Nase in das
    bauchige Kognakglas und atmete mit bebenden Nasen­ flügeln den Duft des edlen Getränks ein.
    »Dieses Aroma werde ich mit Sicherheit nie verges-sen«, sagte er mit halb geschlossenen Augen. Beflügelt vom Kognak, begann Taavetti Rytkönen von seinen Kriegserlebnissen zu erzählen. Er war mit acht­ zehn Jahren freiwillig zur Armee gegangen, das war im Jahr 1941 gewesen, und nach kurzer Ausbildung war er in ein Jägerbataillon abkommandiert worden, zuerst auf die Karelische Landenge und später als Panzerjäger in die Truppen von Generalmajor Lagus. Der alte Mann geriet beim Bericht über seine Kriegserfahrungen, die ungewöhnlich hart gewesen waren, richtig in Fahrt.
    Währenddessen aßen sie. Rytkönen erzählte, dass die Verpflegung während des Krieges sehr karg gewesen sei. Obwohl er Spezialeinheiten angehört habe, habe es nur Knäckebrot und Erbsensuppe gegeben. Die Armee ver­ füge über das Geld, teure Panzer und eigens dafür her­ gestelltes Spezialbenzin sowie glänzende Geschosse anzuschaffen, habe jedoch keinen anständigen Proviant für ihre lebenden Kräfte. Ein Mensch sei so viel billiger als ein Panzerwagen, dass es keine Rolle spiele, mit welcher Suppe er in Gang gehalten werde. Während des Krieges bekomme man Menschen ganz umsonst.
    Rytkönen gab zu, dass die Soldaten heutzutage besser ernährt würden. Die Esssäle der Kasernen seien wie Gaststätten, mit Speisekarten und allem Drum und Dran. Auch ins Gelände würden mehrere Gerichte hi­ nausgebracht, inzwischen seien die Jungs nicht mehr mit dem erstbesten Fraß zufrieden. Es gebe eine Vor­ speise, einen warmen Hauptgang und Pudding und hinterher sogar Kaffee.
    Seppo Sorjonen lauschte den Geschichten des alten Kämpen zunächst ohne sonderliches Interesse. Er ge­ hörte zu der Generation, die den Krieg nur aus Ge­ schichtsbüchern oder aus den Fernsehnachrichten kannte. Er konnte sich den Krieg nicht konkret vorstel­ len. Bei seiner Einberufung hatte er versucht, eine psychische Erkrankung vorzutäuschen, um nicht ein
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