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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes
Autoren: Kate Pepper
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meinen Blick über die adrett frisierten Häupter und Kaschmirrücken schweifen … bis ich ihn entdecke, allein an einem Tisch, auf dem zwei halbvolle Teller stehen.
    Dass Godfrey Millerhausens Tisch so dicht an der Bar steht, bringt mich aus dem Konzept. Ich versuche, die Ruhe zu bewahren, damit ich kein Herzrasen kriege oder rot werde.
Du darfst nicht in Schweiß ausbrechen, du darfst keinen roten Kopf kriegen, du darfst dir nicht anmerken lassen, dass du eigentlich nicht in diese Welt gehörst.
    In Realität ist er attraktiver als auf den Fotos: Er wirkt nicht wie achtundvierzig, sondern deutlich jünger und sieht aus, als wäre er frisch rasiert und käme direkt vom Friseur. Seine Seidenkrawatte changiert in dem gelbraunen Licht, seine Augen glänzen … aber vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein. Er spielt mit seinem Ehering. Auf wen wartet er wohl? All dies erfasse ich mit einem Blick, der ihn nur kurz streift.
    Cathy Millerhausen braucht ein Foto, das mehr zeigt als ein Treffen mit einer Geschäftspartnerin oder Bekannten. Ein verstohlener Kuss. Eine Hand, die unter dem Tisch ein Knie berührt. Oder dieses gewisse Lächeln.
    Von der eleganten Bar aus habe ich einen erstklassigen Blick auf Godfreys Hinterkopf. Von hier aus kann ich auch die Person sehen, auf die er wartet. Der Oberkellner zieht einen freien Barhocker vor und fordert mich auf, Platz zu nehmen.
    Er nickt höflich. Ich nicke höflich. Und dann verschwindet er.
    Den Pashmina lasse ich auf die kleine Lehne gleiten. Da ich es nicht gewohnt bin, zehn Zentimeter hohe Lacklederpumps zu tragen, freut es mich, endlich sitzen zu dürfen. In einem Anflug von Nonkonformismus streife ich einen Stiletto ab und fahre mit der nackten Sohle über die unterste Sprosse des Hockers, ehe ich meinen Fuß wieder in den Schuh zwänge.
    «Haben Sie auch offenen Weißwein?», frage ich den nachsichtig lächelnden Barkeeper, der sich sofort daranmacht, die Sorten aufzuzählen.
    «Danke, ich nehme den Pinot Grigio», unterbreche ich ihn.
    Der leichte Wein ist genau richtig temperiert. Das Kinn in eine Hand und den Ellbogen auf die Theke gestützt, schlüpfe ich in die Rolle der entspannten Geliebten, die auf ihren Liebhaber wartet, und richte den Blick auf Godfrey. In Situationen wie diesen hilft es, groß, dünn und (nicht von Natur aus) blond zu sein. Eine Spionin in der Welt der Wohlhabenden.
    Es vergehen keine fünf Minuten, ehe Godfrey Millerhausen, immer noch allein, aufsteht, die Krawatte zurechtrückt, das Kinn reckt und den Gürtel justiert. In der Annahme, dass er nicht länger auf die Person warten möchte, mit der er gespeist hat, mache ich Anstalten, mich zu erheben, um ihm zu folgen, doch er steuert auf die Bar zu. Also tue ich ganz cool, nippe an meinem Wein, atme tief durch, drehe mich um, sehe ihn an und lächele fast unmerklich.
    Sein Blick bleibt an mir hängen, und er nickt.
    «Jeremy?», spricht er den Barkeeper an.
    «Whiskey Sour?»
    «Danke.»
    «Er kennt Sie», sage ich ganz beiläufig zu Millerhausen.
    Er mustert mich und entgegnet mit sanfter Stimme: «Ich komme häufig hierher.
Sie
kenne ich allerdings nicht.»
    «Bin zum ersten Mal hier.» Ich kichere, so wie andere Frauen das gelegentlich tun, und komme mir total blöd vor.
    Er wirft einen Blick auf seine Uhr – eine fette Rolex mit einem Armband aus schweren Goldgliedern – und steckt dann die Hand in die Hosentasche. Mit einem Lächeln erklärt er: «Meine Begleitung telefoniert bereits seit zehn, fünfzehn Minuten.»
    «Es heißt, beim Warten vergeht die Zeit langsamer.»
    «Dem kann ich nur beipflichten.» Wieder in diesem samtweichen Tonfall. Er ist mir nicht unsympathisch, aber das spielt keine Rolle, denn ich bin ja im Auftrag seiner Frau hier.
    «Diese abendlichen Geschäftsessen …», beginnt er und merkt dann, dass sein Bekannter an den Tisch zurückgekehrt ist. Mit einem angedeuteten Nicken und einem überaus charmanten Lächeln, das auf mich eher freundlich als anzüglich wirkt, geht er mit seinem Drink wieder an seinen Platz.
    Der Mann, der ihm gegenübersitzt, hat dickes stahlgraues Haar und ein stattliches Doppelkinn, das bei jeder Kopfbewegung hin und her wackelt. Ich kriege gerade noch mit, wie er sich bei Millerhausen entschuldigt, ehe seine Worte in der lautstarken Unterhaltung der anderen Gäste untergehen.
    Während Godfrey die Rechnung begleicht, trinke ich meinen Wein aus, warte ein paar Minuten und folge dann den Männern nach draußen.
    Gerade als ich
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