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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes
Autoren: Kate Pepper
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wieder auf ihren kleinen Bruder auf, und Fremont springt auch gelegentlich ein, aber die Teenager schlafen bis Mittag und sind manchmal anderweitig beschäftigt.
    «Danke, Mary.»
    «Schon was von Dan Stylos gehört?»
    «Nein.» Unter dem Vorwand, er sei ein Bekannter von Cathy Millerhausen, die ihm geraten habe, Dan wegen eines Jobs anzurufen, hat Mac an sechs aufeinanderfolgenden Tagen dessen Sekretärin kontaktiert. Entweder ist Stylos ein harter Knochen und scheut nicht davor zurück, die Frau seines Chefs zu verprellen, oder er versucht einfach, Mac, der sich unter falschem Namen vorgestellt hat, zu ignorieren.
    «Soll ich es mal probieren?», bietet Mary an.
    «Schaden kann’s nicht.»
    «Du klingst gelangweilt.»
    «Diese Warterei ist Ödnis pur.»
    Eine Stunde später steht Mary zusammen mit Mac vor Crumbs Bake Shop auf der glühend heißen, belebten Madison Avenue. Beiden ist klar, dass er sie nur hierherbestellt hat, damit sie ihm Gesellschaft leistet. Sie teilen sich einen Schoko-Cupcake und trinken kalten Kaffee aus Plastikbechern.
    «Da ist er.» Als Godfrey an ihnen vorbeiläuft, wirft Mac einen Blick auf seine Armbanduhr. «Auf die Minute. Er wird entweder allein oder mit einem Mitarbeiter eins von drei Restaurants im Umkreis von zwei Blocks aufsuchen und neunzig Minuten später ins Büro zurückkehren. Wir könnten jetzt ins Kino gehen und würden rein gar nichts verpassen.»
    «Das wäre aber ein kurzer Film.»
    «Du sagst es.»
    In der vergangenen Woche hat Mac auf der Madison Avenue, während der Taxifahrten nach Connecticut oder vor der 740  Park Avenue fast achthundert Seiten von Charles Dickens’
Bleak House
gelesen, um sich in den langen Phasen, in denen Millerhausen sich nicht blicken ließ, die Zeit zu vertreiben. Kurz darauf hat er das schwere Taschenbuch gegen einen brandneuen E-Reader eingetauscht, dessen Gewicht er in der Jackentasche kaum spürt, und sich eine elektronische Ausgabe von
Bleak House
heruntergeladen. Dass er bereits das Taschenbuch gekauft hat, hat ihn nicht dazu verleitet, die im Internet verfügbare Raubkopie zu nehmen. Dickens ist zwar schon lange tot und kann die entgangenen Einnahmen verschmerzen, aber Mac hält nichts von Diebstahl.
    Während einer Observierung zu lesen, verstößt gegen die Berufsethik, doch Mac ist inzwischen an einem Punkt, wo die unerträgliche Eintönigkeit schwerer wiegt. Sich dies einzugestehen, fällt ihm nicht leicht. Während er inmitten der chaotischen Monotonie auf einem Bürgersteig Manhattans im einundzwanzigsten Jahrhundert ins Yorkshire des neunzehnten Jahrhunderts eintaucht, spürt er beinah die kühle englische Luft, die über seine schweißnasse Haut streicht. In der vergangenen Woche hat er gelernt, dass die englische Gesetzgebung zu Dickens’ Lebzeiten von Willkür geprägt war und dass sich Millerhausen trotz seines Reichtums und der damit einhergehenden Möglichkeiten beinahe sklavisch an einen festen Tagesablauf hält. Wieso seine Frau glaubt, er würde sie betrügen, ist Mac ein Rätsel.
    Als Mary mit der Zunge einen braunen Krümel von der Unterlippe fischt, kommt es Mac für einen Moment so vor, als würde sie sich dafür schämen. Sehr untypisch für eine Frau, die über eine große Portion Selbstvertrauen verfügt. Eine Sekunde später ist sie wieder so cool wie eh und je.
    «Ich habe Millerhausens Tochter auf Facebook gefunden. Sie heißt Blaine und ist zweiundzwanzig Jahre alt. Meines Erachtens benutzt sie den Namen ihres berühmten Vaters als Türöffner.»
    «Wie das?»
    «Sie bezeichnet sich als Dokumentarfilmerin, hat aber noch keinen einzigen Film fertiggestellt. Wie dem auch sei … sie gibt vor, an einem Projekt zu arbeiten oder eins in Planung zu haben. Offizieller Wohnsitz ist Paris, doch die Kleine reist viel. Hier.» Aus ihrer Tasche zieht sie einen zusammengefalteten Ausdruck von Blaine Millerhausens Facebook-Foto: Es zeigt eine junge und durchaus als hübsch zu bezeichnende Frau mit zerzauster brauner Kurzhaarfrisur.
    «Wenn man sich’s leisten kann, ist es leicht, den Ex-Pat zu spielen. Was gibt es über ihre Mutter?»
    «Nur, dass sie Liz heißt, aber ich gebe nicht auf. Ich hielt es für keine gute Idee, Blaine eine Freundschaftsanfrage zu stellen, um so mehr über sie rauszufinden.» Mary knüllt die Cupcake-Tüte zusammen und wirft sie in den Mülleimer an der Ecke.
    «Und was lernen wir daraus?», möchte Mac wissen. «Über Godfrey Millerhausen, meine ich.»
    «Er unterstützt seine erwachsene
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