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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes
Autoren: Kate Pepper
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tritt einen Schritt näher.
    Der junge Mann lächelt mit geschlossenem Mund. «Ich bin Ms. Chens Assistent. Tut mir leid, dass Sie warten mussten.»
    «Kein Problem.»
    Nachdem der Assistent seine Ausweiskarte durchgezogen hat, passieren sie das Drehkreuz und fahren mit dem Lift in die vierte Etage, wo Mac in einen typischen Konferenzraum geführt wird. Auf dem großen Tisch sind ein linierter gelber Schreibblock, ein Stift und ein Glas Wasser mit einem Eiswürfel. Neben dem Block liegt eine Hochglanzbroschüre mit dem Aufdruck
Kroll: Wenn Sie Bescheid wissen wollen
. Eingängiger Slogan, denkt Mac. Obwohl er in derselben Branche arbeitet, kommt er sich auf einmal wie ein potenzieller Kunde vor, was ihm sehr missfällt.
    Als er Karin von dem Treffen erzählte, reagierte sie ebenso verwundert wie er und konnte sich Krolls Interesse auch nicht erklären.
    «Neugier ist der Katze Tod», meinte sie.
    «Ich gehe trotzdem hin.»
    «Natürlich.»
    In dieser Hinsicht sind sie sich sehr ähnlich: Sie suchen immer Antworten. Diese Eigenschaft hat sie beide bewogen, Polizisten zu werden, und ist einer der Gründe, warum sie sich zueinander hingezogen fühlen.
    Während er in dem klimatisierten Raum wartet, findet er es plötzlich doch ein bisschen töricht, die Einladung angenommen zu haben. Was will er eigentlich hier? Als er merkt, dass er sich in dem an der Wand befestigten Flachbildfernseher spiegelt, wendet er sich ab.
    Eine kleine, hochschwangere Frau betritt den Raum und reißt ihn aus seiner Tagträumerei. Er erhebt sich, um ihr die Hand zu reichen, und bemerkt überrascht, dass sie in ihrem Zustand immer noch Stöckelschuhe trägt und ihm trotzdem nur bis zur Schulter reicht. Da sein Instinkt ihm sagt, dass sie es vermutlich nicht mag, wenn man auf sie herabschaut, beugt er sich nicht zu ihr hinunter. Sie legt einen Ordner auf den Tisch und schüttelt dann seine Hand.
    «Lacie Chen», sagt sie mit einem Lächeln. «Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Sie lassen sich an einem Ende des langen Tisches nieder. Mit den gestylten blonden Haaren, Sommersprossen und blaugrünen Augen hat Ms. Chen so gar nichts von einer Chinesin, auch wenn ihr Nachname diesen Schluss nahelegt. Ihre manikürte Hand zieren ein riesiger Diamant- und ein Platinehering. Tinte hat die Spitze ihres Zeigefingers schwarz gefärbt. Sie öffnet den Ordner, überfliegt eine Seite und rülpst.
    «Tut mir leid.» Sie errötet und legt manierlich die Hand auf den Mund. «Das Baby drückt mir auf den Magen und tritt in einem fort gegen die Bauchdecke. Ich kann keinen Schluck Wasser zu mir nehmen ohne … ach, das wollen Sie gar nicht hören.»
    Schmunzelnd erinnert sich Mac an die Zeit, als Karin mit Ben schwanger war. Die andere Schwangerschaft, die im sechsten Monat endete, versucht er aus seinen Gedanken zu verbannen. Lacie Chen hat recht: Er will das wirklich nicht hören. So beugt er sich vor und fragt: «Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir gleich auf das eigentliche Thema zu sprechen kommen?»
    «Sie möchten erfahren, warum ich Sie hierhergebeten habe.» Ihr breites Lächeln versiegt, während ihr Blick von dem Ordner zu ihm wandert.
    «Wie ich bereits am Telefon sagte, ermittle ich hauptsächlich in privaten Angelegenheiten.»
    «Sie kennen Kroll Consulting?»
    «Natürlich. Ihr Spezialgebiet ist Wirtschaftskriminalität … Due Diligence, Betrug und so weiter.»
    «Und Sie wissen auch, dass Kroll über einen exzellenten Ruf verfügt.»
    «Ja.»
    «Dann dürfte Ihnen klar sein, vor was für Probleme eine verdeckte Ermittlung uns stellt. Sobald sich die Nachricht verbreitet, dass ein Ermittler für uns arbeitet, ist er oder sie verbrannt. Und zwar von jetzt auf gleich.»
    «Suchen Sie neue Mitarbeiter?» Jetzt fällt bei ihm der Groschen: Hin und wieder werden kleine Außenseiter für ein Projekt angeheuert, wenn der Riese bei einem besonders heiklen Auftrag Unterstützung braucht.
    «Nein.»
    «Und wieso bin ich dann hier?»
    «Wir suchen einen unabhängigen und hochqualifizierten amerikanischen Ermittler, der in der Szene unbekannt ist.»
    «Unbekannt.» Mac muss grinsen. Das ist eine nette Art, ihm zu sagen, dass er seine Karriere in den Sand gesetzt hat. Anderenfalls säße er – wie sie beide wissen – gar nicht hier, doch Chen ist entweder zu höflich, dies laut auszusprechen, oder ihr entgeht die Ironie.
    «Unserer Meinung nach verfügen Sie über eine einzigartige Mischung aus Kompetenzen. Sie haben bei der Polizei eine beachtliche Karriere
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