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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Über Dubrassna brütete der Sommerhimmel.
    Dubrassna steht auf keiner noch so guten Karte … es ist ein Dorf am Dnjepr, östlich von Orscha, und selbst die Meßtischblätter der Generalstäbe verzeichnen es als ein trostloses, über die Ebene verstreutes Nest von neun Hütten, zwei Ziehbrunnen, einer Banja, einem Kolchosenstall und einer Traktorstation für die noch trostloseren Dörfer im Umkreis von 50 Kilometern.
    Hauptfeldwebel Kunze hatte bei der Besichtigung von Dubrassna gesagt: »Det übertrifft meine kühnsten Träume!« Er sprach damit aus, was die ganze 5. Kompanie dachte, als sie müde und von Orscha anmarschierend, staubbedeckt und am Ende der Kräfte, mit verquollenen Augen und hechelndem Atem an dem ersten Ziehbrunnen stand und auf das Kommando: »Weggetreten in die Quartiere!« verblüfft und hilflos um sich sah.
    Zwei Tage später kam die Kompanie in die Hauptkampflinie … zurück in Dubrassna blieben der Kompanietrupp mit Hauptfeldwebel Kunze, der Troß und die Feldküche. Und natürlich die Schreibstube. Die Seele einer Kompanie! Ohne Schreibstube keinen Krieg, hatte einmal ein Oberst gesagt, als er scherzhaft gefragt wurde: Was ist das Wichtigste beim Militär? In einer Kompanie-Schreibstube laufen die Schicksale von 200 Männern zusammen … die Urlaubsscheine, die Post, die Beförderungen, die Tatberichte, die Strafen, die Verluste und die Briefe, unterschrieben von Kompaniechef Oberleutnant Faber: Gefallen für Großdeutschland!
    Hauptfeldwebel Kunze sah auf seine verchromte Taschenuhr, die an einer Dubleegoldkordel hing. Diese Goldkordel war sein ganzer Stolz. Sie war ein Andenken an Bordeaux, wo er 1942 sich einen Bauch anfraß und sieben Monate mit Juliette befreundet war. Als er wegkam, lief Juliette neben seinem Wagen her wie ein verlassenes Hündchen, und er winkte gnädig zu ihr hinaus und war froh, die Stadt und die Mädchen wechseln zu können.
    »16 Uhr«, sagte Kunze und sah dabei seinen Ia-Schreiber an. Er sagte 16 Uhr, nachdem er einmal bei einer Übung in der Wahner Heide nach dem Befehl: »Um 4 Uhr antreten« seine Kompanie um 4 Uhr früh weckte. Die Verwirrung, die dadurch entstand, gehörte zu den unliebsamsten Erinnerungen Kunzes und führte dazu, daß er laufend Instruktionsstunden abhielt: Wie nennt ein Soldat die richtige Uhrzeit?
    »Noch keine Meldungen vom Bataillon?«
    »Nein, Herr Hauptfeld.« Der Ia-Schreiber nahm im Sitzen Haltung an. Kunze nickte befriedigt. Auch im Krieg die Manneszucht hochhalten – das war einer seiner Wahlsprüche. Früher mußten die schlappen Säcke bei einer Antwort hochschnellen und strammstehen, aber das hatte Oberleutnant Faber in einer seiner menschlichen Anwandlungen verboten. Kunze, hatte er gesagt, wir sind im Krieg! An der Front. In Rußland! Umgeben von Partisanen … vor uns einige hundert Divisionen, neben und hinter uns ein Feind, der keine Gnade kennt und aus dem Dunkeln zuschlägt … Und da stehen Sie hier und machen Kasernenhofdrill. Wohl verrückt geworden, was?
    Hauptfeldwebel Kunze hatte sich das gemerkt. Weniger den Anschiß als die Tatsache, daß sie von Feinden umgeben waren. Er schlief mit einer Maschinenpistole neben sich auf dem Kopfkissen, raste bei nächtlichen Geräuschen aus der Hütte und warf sich hinter einem Holzstapel in Deckung und beschoß in einer Neumondnacht sogar Oberleutnant Faber und die Essenträgerkolonne, die von der HKL zurückkamen und durch die Dunkelheit klapperten.
    Kunze sah mißbilligend auf das Feldtelefon, das die 5. Kompanie mit dem Bataillon verband. Vor sich hatte er eine Liste liegen, die ihn sehr beschäftigte. Eine Urlaubsliste, auf der zwei Namen standen, deren Träger nach den Berechnungen Kunzes schon im Anmarsch sein mußten.
    Fritz Leskau, Unteroffizier. 14 Tage Heimaturlaub.
    Theo Strakuweit. Obergefreiter. 2 Monate Anschlußurlaub wegen Gelbsucht.
    »Hat zuviel gefressen, der Kerl!« schrie Kunze, als nach einer Woche Überfälligkeit von Strakuweits Urlaub die Meldung durchkam, daß der Obergefreite erkrankt sei und für 2 Monate in der Heimat bliebe. »2 Monate!« tobte Kunze. »Da geht der Sauhund auf Urlaub, frißt sich dick, bis die Galle platzt und höckert jetzt 2 Monate in der Heimat herum, während wir hier von Feinden umgeben sind und unser Leben einsetzen!« Er warf sich in die etwas verfettete Brust und sah um sich. Der Ia-Schreiber sah ihn pflichtschuldig mit heroischem Blick an. »Ich werde dem Strakuweit zeigen, was es heißt, den Endsieg sabotieren! Laß ihn
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