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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes
Autoren: Kate Pepper
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elegant gekleideten Menschen. Bei denjenigen, die nicht in aller Herrgottsfrühe das Haus verlassen, handelt es sich größtenteils um Freiberufler in Jeans und mit zerzausten Haaren, Studenten oder Eltern, die gerade nicht arbeiten. Als uns nur noch ein paar Meter trennen, steigt mir der schwere Duft ihres Parfüms – eine exquisite Komposition aus Jasmin und Rosen – in die Nase, der mich kurz neidisch werden lässt, da ich mir so einen Luxus nicht leisten kann.
    Sie geht auf das Haus zu, in dem sich MacLeary Investigations das Erdgeschoss mit einem selbständigen Graphikdesigner teilt, und läutet. Dass sie zu Andre möchte, der nur äußerst selten vor zwölf Uhr mittags auftaucht, erscheint eher unwahrscheinlich, denn sein Kundenstamm ist längst nicht so vornehm. Und auch unsere Klienten gehören für gewöhnlich einer anderen Schicht an. Im Geiste gehe ich unseren Kalender durch. Soweit ich mich entsinne, ist Bens Feier der einzige Termin, der heute ansteht.
    «Hallo?», tönt Marys Stimme aus der Gegensprechanlage.
    «MacLeary Investigations?»
    «Ja.»
    «Es tut mir leid, dass ich hier einfach so auftauche, aber …»
    «Warten Sie kurz, ich komme.»
    Die Frau umklammert ihre Handtasche, wirft einen Blick nach hinten und entdeckt Dathi und mich. Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, meinen Schlüssel aus der Tasche zu kramen, und warte stattdessen vor der Tür, bis Mac herauskommt.
    «Hier ist kein Schild», konstatiert sie. «Ich war mir nicht sicher, ob das die richtige Adresse ist.»
    «Ja, das sollten wir schleunigst ändern», platze ich heraus und bereue auf der Stelle das
wir
. Obwohl ich mich energisch dagegen gewehrt habe, dass mein Name in der Firmenbezeichnung auftaucht, kann ich es nicht lassen, mich einzumischen. Wahrscheinlich wartet Mac nur darauf, dass ich klein beigebe und meine Mitarbeit offiziell verkünde. Und gelegentlich bin ich tatsächlich geneigt, ihm den Wunsch zu erfüllen, wäre da nicht die Sehnsucht, mich von dieser Art von Arbeit, die einen wie ein gefräßiges Tier verschluckt, durchkaut und wieder ausspuckt, endgültig zu verabschieden.
    Ehe die Frau noch etwas sagen kann, geht die Tür auf. Und auf einmal hat sie diesen unsicheren Blick, den Menschen immer kriegen, wenn sie sich dazu durchgerungen haben, einen Privatdetektiv aufsuchen.
    Mary zwinkert uns kurz zu, bevor sie dem unerwarteten Gast ein gewinnendes Lächeln schenkt. «Wie kann ich Ihnen helfen?» Die roten Stoff-Espadrilles, die sie für den Notfall unter dem Schreibtisch aufbewahrt, schauen unter ihren ausgefransten Schlaghosen hervor. Obwohl sie heute Morgen offenbar ihre braunen Haare gebürstet hat, wirkt sie ziemlich zerzaust.
    Dann taucht Mac hinter ihr auf und fragt: «Alles in Ordnung?»
    «Sind Sie …»
    Er reicht der Frau die Hand. «Mac MacLeary. Es tut mir leid … Hatten wir einen Termin?» Er sieht zu Mary hinüber, die den Kopf schüttelt.
    «Nein», sagt die Frau, ohne seine Hand loszulassen, «ich bin Cathy Millerhausen. Bitte, entschuldigen Sie, normalerweise schneie ich nicht einfach so bei jemandem herein.»
    «Im Moment passt es leider nicht, Mrs. Millerhausen. Ich bin gerade auf dem Sprung.»
    «Bitte, es wird nicht lange dauern. Bitte.» Sie drückt seine Hand und sieht ihn flehend an. Auf ihrer Oberlippe bilden sich Schweißperlen. Ihre Verzweiflung ist deutlich spürbar, und man kann förmlich sehen, wie ihr die Angst aus jeder Pore quillt.
    «Wir könnten einen Termin für einen anderen Tag vereinbaren», schlägt Mac vor.
    «Bitte. Ich weiß, ich hätte vorher anrufen sollen, aber ich bin einfach so … Ich bin …»
    Sein Blick wandert von Cathy Millerhausen zu mir. Einem Impuls folgend, lasse ich mich zu einem Zugeständnis hinreißen. Aus unerfindlichen Gründen habe ich Mitleid mit dieser Fremden, deren Probleme mich im Moment nicht kümmern sollten. «Falls du es schaffst, um elf dort zu erscheinen», sage ich zu Mac, «wirst du bestimmt nichts verpassen.»
    «Reichen fünfzehn Minuten?», fragt er sie.
    «Ich kann nicht abschätzen, wie lange so etwas normalerweise dauert.»
    «Na, dann müssen wir uns eben sputen.» Mac tritt beiseite, damit sie eintreten kann.
    «Viel Spaß!» Als Mary uns zuwinkt, fällt Mrs. Millerhausens Blick auf die Tätowierung in ihrer linken Hand: Ein Smiley von der Größe einer 25 -Cent-Münze. Hätte Mary die rechte Hand gehoben, hätte unsere Besucherin eine Lotusblume gesehen. Bemerkenswerterweise verzieht Cathy Millerhausen keine Miene.
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