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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut
Autoren: Sabine Klewe
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erst zehn«, wandte Lydia ein. »Wann kommt denn Ihr Mann nach Hause?«
    Die Frau sah erneut zur Uhr.
    »Er kommt erst am frühen Abend. Aber es ist noch viel zu tun bis dahin. Und um eins muss ich die Kinder aus dem Kindergarten holen. Eine Nachbarin hat sie heute mitgenommen. Ich – ich habe mich nicht getraut, das Haus zu verlassen. Albern, finden Sie nicht?«
    »Das ist ganz und gar nicht albern«, widersprach Chris. »Sie stehen unter Schock.«
    Die Frau lächelte ihn dankbar an. »Jetzt geht es mir auch schon besser«, versicherte sie. »Nur heute morgen, da hat mich plötzlich die Panik gepackt. Ständig habe ich dieses schwarze Bündel vor mir gesehen. Ich weiß auch nicht, warum. Also, stellen Sie Ihre Fragen, bitte, damit ich los kann. Philipp ist sehr eigen, wissen Sie, was Essenszeiten und solche Dinge angeht.«
    »Es wird nicht lang dauern«, sagte Chris. »Außerdem hat Ihr Mann sicherlich Verständnis dafür, dass heute nicht alles nach Plan läuft.«
    Wieder fuhr sie über ihre Arme. »Sie müssen wissen, mein Mann hat keine Ahnung, dass ich jogge. Er …«
    »Sie haben also niemanden gesehen und niemanden gehört?«, fuhr Lydia dazwischen.
    Chris warf ihr einen verärgerten Blick zu. Konnte sie nicht ein wenig einfühlsamer mit der Frau umgehen? Es war doch offensichtlich, dass es ihr nicht gut ging. »Denken Sie noch einmal nach, Frau Dankert«, sagte er sanft.
    »Da war ein Knacken«, erzählte sie langsam.
    Lydia kniff die Augen zusammen. »Ein Knacken?«
    »Ja. Nein, eigentlich hat es zweimal geknackt. Erst ein Stück vor der Lichtung. Dann kam ein Reh über den Weg gelaufen. Und danach, als ich auf der Lichtung war und – und dieses Ding gefunden hatte, da knackte es im Unterholz, und ich lief weg.«
    »Gesehen haben Sie nichts?«, fragte Lydia, jetzt ein wenig freundlicher.
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    Wenig später verabschiedeten sie sich von Ellen Dankert. Sie hatten nichts weiter aus der nervösen jungen Frau herausbekommen. Wortlos fuhren sie ins Präsidium. Lydia kaute während der ganzen Fahrt auf ihrer Unterlippe, und Chris starrte aus dem Fenster, dachte an Anna und versuchte die Tränen wegzuzwinkern, die in seinen Augen brannten.

4

    Sie hatten im kleinen Besprechungsraum alle Fenster aufgerissen, trotzdem wich der muffige Gestank nur langsam. Gerade eben hatte die »Soko Pumps«, wie sie inoffiziell hieß, das Zimmer geräumt. Die Beamten aus dem Raubdezernat waren auf der Jagd nach einem Unbekannten, der alte Damen überfiel, ihnen die Hand-tasche und die Schuhe klaute. Handtaschenräuber gab es viele, aber einer, der ein Faible für Damenschuhe hatte, vor allem für solche von älteren Damen, war bisher bei der Düsseldorfer Kripo nicht aktenkundig. Offenbar hatten den Mitgliedern der »Soko Pumps« ganz schön die Köpfe geraucht, zumindest, wenn man vom Zustand der Luft Rückschlüsse zog.
    Lydia ordnete die Notizen auf dem Tisch und versuchte, sich zu konzentrieren. Sie hatte Salomon in der Festung abgesetzt mit dem Auftrag, sich um die Inschrift in dem Baumstamm zu kümmern, und war kurz nach Hause gefahren, um zu duschen. Keine halbe Stunde später war sie in ihrem Büro gewesen, hatte mit dem Staatsanwalt und der Rechtsmedizin telefoniert. Ihr Haar war noch feucht, ihr Magen launisch, aber die hämmernden Kopfschmerzen hatten sich bis auf weiteres verzogen, und sie fühlte sich halbwegs frisch und sauber.
    »Jungs«, sagte sie, »es geht los. Zuerst möchte ich euch den Neuen im Team vorstellen. Das ist Christopher Salomon. Er kommt von der Kripo Köln.«
    Freundliches Gemurmel war die Reaktion. Selbst Reinhold Meier, dem sonst kein Witz über die ungeliebte Nachbarstadt zu blöd war, hielt sich zurück.
    Gerd Köster sah seinen Tischnachbarn überrascht an. »Der Chris Salomon?«
    Salomon hob die Schultern. »Ich glaube nicht, dass der Name sehr häufig ist«, erwiderte er grinsend. »Also muss ich wohl der Chris Salomon sein.«
    Er klang lässig, doch Lydia hatte bemerkt, dass ihn Kösters Worte unangenehm berührt hatten. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie nachzuhaken, doch dann unterdrückte sie ihre Neugier. Sie hatten viel zu tun, und wenn Köster etwas Interessantes über Salomon wusste, würde sie es auch später noch aus ihm herausbekommen. »Salomon, das sind Gerd Köster, Reinhold Meier und Erik Schmiedel. Sebastian Mörike kennen Sie ja schon.«
    »Freut mich.« Er lächelte in die Runde. »Und bitte, nennt mich Chris, okay?«
    Die anderen nickten
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