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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut
Autoren: Sabine Klewe
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Louis?«
    »Wie sind Sie denn hergekommen?«
    »Taxi.«
    »Haben Sie kein Auto?«
    »Motorrad.«
    Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Die Lichtmaschine hat den Geist aufgegeben«, erklärte er. »Aber wenn sie wieder flott ist, können wir gern mal eine Spritztour machen.«
    Sie fror plötzlich. Rasch schloss sie den Toyota auf und rutschte auf den Fahrersitz. Salomon schaffte es gerade noch, zur Beifahrerseite zu hechten und hineinzuspringen, bevor sie Gas gab und in einer dicken Staubwolke zurück zur Landstraße bretterte.

3

    Ellen Dankert schloss die Augen. Das heiße Wasser hüllte sie ein wie eine schützende Decke. Sie ließ die Tropfen auf sich niederregnen, versuchte, an nichts zu denken, und für einen Augenblick gelang es ihr sogar. Doch viel zu schnell kamen die Gedanken zurück. Und die Bilder. Das seltsame Bündel im Wald. Das Knacken.
    Sie hatte den Jogginganzug samt Unterwäsche in die Waschmaschine gestopft, obwohl sie sich im Moment nicht vorstellen konnte, je wieder etwas davon anzuziehen. Am liebsten hätte sie alles in die Mülltonne geworfen. Doch was würde Philipp denken, wenn er die Sachen zufällig entdeckte?
    Ellen drehte das Wasser ab und griff nach dem Handtuch, das auf einem Stuhl bereitlag. Der Spiegel war beschlagen. Sie wischte einen Streifen frei und betrachtete ihr Gesicht. Blass und dünn wirkte sie, beinahe knochig. Sie hatte abgenommen in den letzten Wochen.
    Ellen wickelte sich enger in das Handtuch. Wieder sah sie das Bündel vor sich. Die Haare und die blutige Masse darunter. Ob es tatsächlich das gewesen war, wofür sie es gehalten hatte? Was, wenn nicht? Wenn die Polizei ganz umsonst in den Wald gefahren war? Mit einem Mal wurde ihr heiß. Warum hatte sie sich das schwarze Ding nicht genauer angesehen? Carola hätte das sicherlich getan. Carola Müller hätte nachgeschaut, was dort auf dem Waldboden lag, sie wäre nicht einfach kopflos davongestürmt.
    Aber sie war nicht Carola Müller. Es gab überhaupt keine Carola Müller. Es gab nur sie, Ellen, eine kindische, feige Idiotin, die sich vermutlich gerade bis auf die Knochen blamiert und blinden Alarm ausgelöst hatte wegen eines toten Hundes. Oder schlimmer noch, wegen eines alten Putzlappens. Sie hätte am Telefon einen falschen Namen angeben sollen. Wie konnte sie nur so blöd sein? Bestimmt war es strafbar, die Polizei wegen einer vermeintlichen Leiche in den Wald zu bestellen, auch wenn kein böser Vorsatz dahintersteckte. Sie würde eine saftige Geldbuße zahlen müssen. Doch das war nicht einmal das Schlimmste. Philipps Wut würde grenzenlos sein.
    Der Spiegel hatte sich wieder beschlagen. Ihr Gesicht wurde von den feuchten Schwaden verschlungen, bis es nicht mehr zu sehen war. Sie wünschte, sie könnte sich tatsächlich unsichtbar machen. Einfach verschwinden. In den Spiegel steigen und nie wieder zurückkehren.
    Sie war anders, als Chris erwartet hatte. Und auch wieder nicht. Viel härter und viel zerbrechlicher. Er hatte auf dem Präsidium, oder wie es unter den Düsseldorfer Kollegen hieß, in der Festung, ein paar Gerüchte über Lydia Louis aufgeschnappt: ist extrem spröde. Launisch. Zieht immer ihr eigenes Ding durch. Lässt sich von niemandem in die Karten schauen. Und vor allem: lässt keinen Kerl an sich ran. Nachdem er Lydia kennengelernt hatte, wusste er, was die Kollegen meinten. Und er war überzeugt davon, dass sie recht hatten. In allen Punkten. Bis auf einen. Da täuschten sie sich. Ihm war sofort klar gewesen, was mit ihr los war. Nicht nur wegen der blassen Haut, der dunklen Ringe unter den übermüdeten blauen Augen. Sondern vor allem wegen des Geruchs. Man sagte ihm nach, dass er eine besonders feine Nase besitze. In Lydias Fall war sie allerdings nicht vonnöten. Was sie ausdünstete, auch jetzt noch, während sie neben ihm auf dem Fahrersitz saß, war penetrant und unverkennbar: eine aparte Mischung aus Alkohol, Schweiß und Sex.
    Er sah zu ihr, beobachtete, wie sie den Wagen über die Landstraße lenkte. Ihr Fahrstil war so rau wie sie selbst. Sie traktierte Kupplung und Gaspedal, als steuere eine tiefe, mühsam unterdrückte Wut ihre Bewegungen. Ihr Blick war starr auf die Fahrbahn geheftet. Eine Strähne ihrer dunkelblonden Haare hing ihr in die Augen, bis sie sie mit einer ungeduldigen Bewegung aus der Stirn strich. Sie hatte einen zersausten Kurzhaarschnitt, der ihr schmales Gesicht betonte. Sie war nicht sein Typ, aber sie war attraktiv. Ausgesprochen attraktiv sogar. Trotz des
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