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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Autoren: Waldemar Hartmann
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    ABSOLUT LEBENS- UND LIVETAUGLICH!
    Wie der rasende Rudolf mir
die Altersvorsorge sicherte
    Wenn man es genau nimmt, habe ich zwei Geburtstage: meinen echten am 10 . März 1948 – und die Geburt von Weißbier-Waldi am 6 . September 2003 . Das Datum habe ich mir gemerkt. Und wenn ich irgendwo eine Zahlenkombination mit der sechs , der neun und der drei sehe, denke ich jedes Mal an Rudi Völler. An den Mann, der den Weißbier-Waldi erfunden hat. An den Mann, der mir mit einem einzigen Fern sehinterview meine Altersvorsorge gesichert hat. Mehr kann kein Mensch von einem Freund verlangen. Und manchmal stoße ich mit meiner Frau auch auf diesen Mann an. Dann sitzen Petra und ich auf der Terrasse und freuen uns, wie viel Schönes aus Käse und Scheißdreck entstehen kann. Es geht natürlich – der ein oder andere Leser wird es schon erraten haben – um das, was 6 - 9 - 3 in einem Reykjavíker Stu dio passiert ist. Sogar meine damalige Akkreditierung mit der isländischen Überschrift » AÐGÖNGUMIÐI Á LAUGARDALSVÖLL FYRIR LJÓSMYNDARA / TÆKNIMANN « habe ich bis heute aufgehoben. Keine Ahnung, was das bedeutet, angeblich »Tickets für Fotografen / Techniker« – aber ein bisserl Völler kann ich im dritten Wort jedenfalls entziffern. Und das kann kein Zufall sein.
    Ich kenne Rudi ja schon seit über dreißig Jahren, seit er in München bei den Löwen spielte. Seitdem hatten wir immer wieder miteinander zu tun – mit dem WM -Titel 1990 in Rudis emotionaler Heimatstadt Rom als Highlight. Als er im Jahr 2000 Teamchef wurde, entzog ich ihm trotzdem das Du und bot ihm das Sie an. Zumindest offiziell. Für die Interviews nach den Länderspielen habe ich mit ihm vereinbart: »Rudi, ich weiß, dass du nach Spielen unter Strom stehst. Da ist es g’scheiter, wenn wir Sie sagen, da schimpft es sich schwerer.«
    Drei Jahre lief alles störungsfrei. Herr Hartmann fragt, Herr Völler antwortet. Rudi war ja spätestens nach dem Vize- WM -Titel 2002 in Japan und Südkorea zu einem von Deutschlands Hausheiligen aufgestiegen, beinahe schon gleichauf mit dem Franz. Und die Bundestrainerinterviews nach den Spielen waren damals noch eine Art sportlicher Bundespresse konferenz. Was der Teamchef im Fernsehen zur Lage der Fußballnation mitzuteilen hatte, galt als amtliche Regierungs erklärung.
    Wobei man sagen muss: Es war von vornherein nicht alles wunderbar, als Deutschland an diesem 6 . September 2003 in Reykjavík gegen den Fußballgiganten Island spielen musste. In den Monaten zuvor hatte der heilige Rudolf etwas an himmlischer Leuchtkraft eingebüßt – es holperte in der Qualifikation für die EM 2004 . Und beim Spiel gegen den großartigen Tabellenführer Island holperte es dann nicht mehr nur, es rumpelte so richtig. Die Spieler lieferten einen Erich-Ribbeck-Gedächtniskick ab. Es war ein grausames Gegurke, das nullzunulligste 0 : 0 der Geschichte. Herr Hartmann wusste schon während des Spiels: Au weh, Herr Völler würde not amused sein.
    So weit die Ausgangsposition. Und dann, nach dem Rumpeln, ging es los: Let’s get ready to rumble!
    Dazu muss man als Zuschauer wissen: Was im amtlichen Bundestrainer-Fernsehinterview im Idealfall als spontane Aus sage rüberkommt, ist in Wahrheit längst mit der DFB -Pressemaschinerie abgestimmt. Nach dem Schlusspfiff dauert es meistens fünf bis zehn Minuten, bis der Trainer im Studio ankommt – in dieser Zeit beruhigt er sich und klärt alle Sprach regelungen mit den DFB -Sprechern. Was sagen wir zum Abseits? Wie verkaufen wir die Rote Karte? Der TV -Nation wird normalerweise nur die gefilterte Kuschelweichversion des Bun destrainers präsentiert.
    Normalerweise. Aber Reykjavík war eben nicht normalerweise. Reykjavík war anders. Reykjavík war ein Dorfsport platz. Ohne endlose Katakomben, durch die der Bundestrainer erst mal einigen Weg zurückzulegen hat, bis er in abgekühltem Zustand bei mir auftaucht. Nein, in Reykjavík ist Rudi von der Trainerbank aufgestanden, durch eine Tür marschiert und mir praktisch direkt vor die Füße gefallen. Das hat keine Minute gedauert. Keine Cool-down-Phase, stattdessen Völler unplugged.
    Weil der Teamchef viel zu früh bei uns aufschlägt, nimmt das Unglück für Rudi (und das große Glück für mich und die Fernsehzuschauer) seinen Lauf. Denn dadurch hört Völler neben mir im Studio die ganze Litanei von Gerhard Delling und Günter Netzer, die er normalerweise nicht mitbekommt. Und, heißa, wie sie losledern, unsere beiden Gurus! Delle
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