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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut
Autoren: Sabine Klewe
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wollte«, ergänzte Ruth.
    »Ich habe das sogar als positives Zeichen gedeutet«, gab Chris zu. »Ich dachte, jetzt taut er endlich ein bisschen auf und traut sich was.«
    Sie erreichten den Parkplatz des Präsidiums.
    »Schickst du die Spusi in seine Wohnung?«, wollte Ruth wissen, während sie ausstiegen.
    Sie rannten die Treppen hoch.
    »Noch nicht«, antwortete Chris. »Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Mörike den Polizeifunk abhört. Ich fürchte, er rastet aus, wenn er mitkriegt, dass wir hinter ihm her sind. Solange für ihn alles nach Plan läuft, hat Lydia eine Chance.«
    »Hat Schmiedel nicht gesagt, er hätte seine Wohnung so hinterlassen, als würde er mit uns rechnen? Also läuft es doch für ihn nach Plan.«
    »Stimmt. Die Frage ist allerdings, für wann er das große Finale vorgesehen hat. Vielleicht sollten wir sein Arrangement ja erst morgen früh finden. Ich möchte auf keinen Fall, dass er weiß, wie weit wir sind.«
    »Verstehe.«
    Atemlos stürmten sie in das Büro, das sie vierzig Minuten zuvor verlassen hatten. Alles war unverändert. Chris wurde klar, dass er entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit gehofft hatte, Lydia an ihrem Schreibtisch vorzufinden, verärgert darüber, dass ihr gesamtes Team ausgeflogen war, ohne sie zu informieren.
    »Und was machen wir jetzt hier?«, fragte Ruth
    »Ich weiß nicht. Nach einem Hinweis suchen. Ihren Spuren folgen. Vielleicht hat Lydia irgendwo notiert, was sie vorhatte.« Er begutachtete die Notizzettel, die an ihrem Monitor klebten und überall auf ihrem Schreibtisch herumlagen, und fand einige Blätter, vollgekritzelt mit Skizzen. Ein Kelch. Ein Kreuz. Was hatte Lydia damit bezweckt?
    Ruth ließ sich auf den Besucherstuhl fallen. »Ich glaube nicht, dass wir hier etwas finden. Ich nehme an, Mörike hat sie unter einem Vorwand weggelockt. Möglicherweise hat er so getan, als würden sie sich mit dem Zeugen aus Köln treffen, irgendwas in der Art. Sie hat bestimmt gedacht, dass sie rechtzeitig zur Besprechung wieder zurück ist. Warum sollte sie also eine Nachricht hinterlassen haben?«
    Chris drückte eine Taste auf Lydias Rechner. Sie hatte ihn nicht heruntergefahren, bevor sie gegangen war. Ein Zeichen, dass sie dachte, sie würde binnen kurzem zurück sein? Sie hatte offenbar im Internet etwas recherchiert. »Christliche Zahlenmystik« war in das Suchfeld eingegeben. Er ging rückwärts die Seiten durch: »Fisch, Kelch, Kruzifix, christliche Symbole.« Wonach hatte sie gesucht?
    Ruth stand auf und trat hinter ihn. »Guck mal, was sie sich hier notiert hat: ›Asservatenkammer, 1. September‹, sagt dir das was?«
    Chris runzelte die Stirn. »Kann sein, dass sie an dem Tag das Verschwinden von Flunitrazepam aus der Asservatenkammer bemerkt haben. Da gab es doch kürzlich Gerüchte.«
    »Sie war Mörike auf der Spur!«, rief Ruth. »Sie hat vermutet, dass er das Zeug gestohlen hat.«
    »Sie war jemandem auf der Spur«, korrigierte Chris sie mit tonloser Stimme. »Sie hat vermutet, dass der Mörder einer von uns ist, deswegen hat sie niemandem etwas gesagt und allein nachgeforscht.« Er ahnte, wen sie im Verdacht gehabt hatte. Der Gedanke war wie ein Fausthieb ins Gesicht, er fühlte sich zutiefst verletzt. »Immerhin hat sie den Rechner angelassen. Ich bin mir jetzt sicher, dass sie das absichtlich getan hat. Damit man ihrer Spur folgen kann, falls etwas schiefgeht oder sie zu spät merkt, dass sie sich getäuscht hat.«
    »Aber was nützt uns das?« Ruth sah ihn ratlos an. »Weshalb hat sie nach christlichen Symbolen gesucht und was will sie uns damit sagen? Das mit dem Fisch wussten wir doch bereits.«
    »Keine Ahnung.« Chris erhob sich und wandte sich ab. Verbitterung stieg in ihm auf. In den dunkelsten Stunden nach Annas Verschwinden hatte Stefanie ihn einen Mörder genannt. Es hatte unendlich wehgetan, aber er hatte es verstanden, ihr insgeheim sogar zugestimmt. Wenn Anna tot war, war er verantwortlich dafür, weil er nicht gut genug auf sie aufgepasst hatte. Aber hier ging es nicht um eine fatale Unachtsamkeit. Lydia traute ihm zu, dass er Frauen entführte und brutal zu Tode steinigte. Was für ein Bild musste sie von ihm haben? Bemüht, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, heftete er seine Augen auf den Stadtplan an der Wand, der voller Punkte und Striche war. Dann entdeckte er den Fisch.
    »Das ist es!«, rief er. »Sie sind im Eller Forst.« Er riss den Plan von der Wand und stürmte zur Tür. »Komm, wir müssen uns
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