Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut
Autoren: Sabine Klewe
Vom Netzwerk:
Hackmann.
    »Das bedeutet«, fuhr Schmiedel nachdenklich fort, »dass er nicht damit rechnet, noch einmal hierher zurückzukehren.«
    »Genau.«
    »Warum gefällt mir dieser Gedanke nicht?« Schmiedel kniff die Augen zusammen.
    »Weil das bedeutet, dass Mörike mit seinem Leben abgeschlossen hat. Er will nicht entkommen, er will nur noch seine Mission beenden. Und zwar um jeden Preis.«
    Er hatte sie hinter das Stechpalmengestrüpp dirigiert. So waren sie vom Weg aus nicht zu sehen. Mit der einen Hand hielt er die Walther auf sie gerichtet, mit der anderen zog er ihr die Dienstwaffe aus dem Holster und das Handy aus der Parkatasche. Er warf beides auf den Boden und stieß es mit dem Fuß in das Gebüsch. Lydia versuchte, sich die Stelle zu merken. Sie überlegte fieberhaft, wie sie ihn von seinem Vorhaben abbringen oder zumindest genug Zeit herausschinden konnte, bis jemandem auffiel, dass sie verschwunden waren. Vielleicht würde irgendwer die Zeichnung auf dem Stadtplan in ihrem Büro entdecken und eins und eins zusammenzählen. Das hätte sie besser auch tun sollen. Lydia stöhnte innerlich auf. Wer sollte all das so schnell herausfinden? Sie hatte sich selbst in diese Lage manövriert, ihre Kollegen wussten ja nicht einmal, dass sie ebenfalls eine Warnung des Killers in ihrer Wohnung gefunden hatte. Sie war zu stolz und zu eigensinnig gewesen, sie hatte nicht gewollt, dass irgendwer auf die Idee kam, sie beschützen zu müssen. Sie hatte nicht das arme, hilflose Opfer sein wollen.
    Nie wieder.
    Sie drehte sich zu Mörike um. »Ich begreife das nicht«, sagte sie. »Was hast du vor?«
    Er lachte auf. »Du willst mich zum Reden bringen. Netter Versuch, Louis. Aber ich habe dir nichts zu sagen.«
    »Sebastian, wir sind doch Kollegen.«
    Der Schlag traf sie unvermittelt an der Schläfe, sie zuckte zusammen.
    »Jetzt fällt dir plötzlich ein, wie ich mit Vornamen heiße? Zu spät, Louis. Zu spät. Wir waren nie Kollegen. Du hast mich von Anfang an nicht ernst genommen. Für dich war ich doch nur der dumme Praktikant. Ich war für alle immer nur der Idiot. Der tollpatschige Sebastian. In der Schule haben die Mädchen mich ausgelacht, weil ich gestottert habe. Und die Jungen wollten mich beim Fußball nie in ihrer Mannschaft haben. Mir ist das egal. Ich brauche niemanden.«
    »Das mit der Schule tut mir sehr leid, Sebastian«, sagte Lydia rasch. »Ich weiß, Kinder können grausam sein. Ich selbst habe …«
    »Halt die Klappe!« Wieder schlug er ihr mit der Waffe ins Gesicht. Etwas Rotes explodierte vor ihren Augen, sie keuchte.
    »Interessant übrigens, deine Theorie mit den Zahlen«, sagte er im Plauderton. »Die magische Sieben. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich habe sie umgebracht, wenn es mir in den Kram passte. Das Datum war mir scheißegal. Aber vielleicht übernehme ich deine Anregung ja.«
    »Es freut mich, dass dir meine Idee gefällt«, erwiderte Lydia keuchend. Sie kämpfte gegen den hämmernden Schmerz unter ihrem linken Auge an. Verdammt noch mal, konzentriere dich, dachte sie.
    Mörike machte eine ungeduldige Handbewegung. »Genug geplaudert. Ich habe noch viel zu tun.« Er trat einen Schritt näher. »Ich öffne jetzt die Handschellen«, erklärte er. »Komm bloß nicht auf dumme Gedanken. Wenn du irgendwas versuchst, schieße ich. Und zwar zuerst auf deine Beine. Du sollst ja noch nicht sofort abkratzen, du Miststück.«
    Sein Tonfall hatte sich verändert. Er klang jetzt hart und kalt, jegliche Unsicherheit schien verschwunden. Er trat hinter sie, Sekunden später waren ihre Hände frei.
    »Zieh dich aus!«, befahl er.
    »Was?«, flüsterte sie entsetzt.
    »Zieh dich aus, mach schon.«
    Sie bückte sich und zog langsam erst einen und dann den anderen Stiefel aus. Noch einmal setzte sie zum Sprechen an, doch als Mörike auf ihr Knie zielte, begann sie, den Gürtel ihrer Jeans zu lösen.

51

    Chris telefonierte zuerst mit Schmiedel und dann mit Halverstett, während er mit Ruth zurück zum Präsidium fuhr. Er berichtete ihr, was die Kollegen in Erfahrung gebracht hatten.
    »Also gibt es keinen Zweifel mehr, dass Mörike der Mörder ist«, sagte sie. »Das hätte ich niemals gedacht.«
    »Ich auch nicht, obwohl mir im Nachhinein natürlich ein paar Sachen einfallen, die eigenartig waren. Zum Beispiel, dass er den Verdacht auf diesen Baumarktleiter lenken wollte, an dem eigentlich gar nichts verdächtig war.«
    »Oder dass er um jeden Preis die Ermittlungen in dem alten Köln-Fall übernehmen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher