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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut
Autoren: Sabine Klewe
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Fäulnis drang in ihre Nase.
    »Bleib bloß still liegen«, zischte er, griff nach ihren Armen und drehte sie nach hinten.
    Sie musste sich beeilen. Wenn ihre Hände erst wieder gefesselt waren, konnte sie sich gar nicht mehr zur Wehr setzen. Aber was konnte sie tun? Der schwere Körper, der auf ihr hockte, drückte sie erbarmungslos auf den Boden. Ihr Gesicht wurde so stark in das Laub gepresst, dass die Luft kaum zum Atmen reichte. Und ihre Hände waren hilflos auf dem Rücken verschränkt.

53

    Chris und Ruth schlichen auf das zuckende Licht zu. Sie hörten jetzt Geräusche, eine Stimme und das Knacken von Zweigen. Schließlich erreichten sie einen Unterstand. In dem Waldstück dahinter, etwa zwanzig Meter von ihnen entfernt, mussten Lydia und Mörike sein.
    Chris machte Ruth ein Zeichen, und sie schlichen von zwei Seiten her auf die Stelle zu. Sein Herz hämmerte bis hinauf in den Hals, er durfte keinen Fehler machen. Das war seine Bewährung, der alles entscheidende Augenblick. Jetzt würde sich zeigen, ob es richtig gewesen war, in den Polizeidienst zurückzukehren. Wenn er jetzt versagte, musste das womöglich wieder jemand mit dem Leben bezahlen. Und diesmal wäre es eine Kollegin.
    Er erkannte zwei Gestalten zwischen den Bäumen. Mörike hockte auf Lydia, die nackt auf dem Boden lag. Er hatte die Taschenlampe im Mund und eine Waffe in der rechten Hand, mit der linken hielt er Lydias Handgelenke auf ihrem Rücken zusammen. Der Moment war günstig. Offenbar wollte er sie fesseln, dazu musste er die Waffe aus der Hand legen.
    Nervös suchte Chris das Unterholz hinter Mörike und Lydia ab. Wo steckte Ruth? Hoffentlich machte sie keinen Mist! Dann ging alles sehr schnell. Ruth kam mit vorgehaltener Waffe zwischen den Stämmen hervorgestürmt.
    »Keine Bewegung! Polizei!«, brüllte sie, stolperte über einen Ast und schlug der Länge nach auf den Wald-boden. Die Waffe fiel ihr aus der Hand. Krachend löste sich ein Schuss, der niemanden traf.
    Mörike sprang auf und fuhr herum, entdeckte Chris, der ebenfalls zwischen den Bäumen hervorgetreten war, die Walther im Anschlag.
    »Die Waffe runter, Mörike!«, sagte Chris so ruhig wie möglich.
    Doch Mörike folgte der Anordnung nicht, sondern zielte auf Chris, ein arrogantes Lächeln auf den Lippen.
    Lydia rollte sich stöhnend zur Seite, brachte ihren Körper in eine halb sitzende Position und griff nach Mörikes Bein. Er wankte, versuchte sie abzuschütteln, und zielte dabei unverwandt auf Chris. Irgendwo außerhalb von Chris’ Blickfeld krabbelte Ruth auf dem Boden herum.
    Die Zeit schien still zu stehen. Chris hielt die Waffe auf Mörike gerichtet, doch vor seinen Augen verschmolzen er und Lydia zu einer einzigen Person. Er begann zu schwitzen. Er durfte nicht länger zögern, er musste schießen, jetzt sofort, aber was, wenn er Lydia traf? Da krachte es ohrenbetäubend, ein höllischer Schmerz brannte sich in seine Eingeweide, und alles wurde schwarz.
    Lydia kroch zu Salomon, der leblos auf dem Waldboden lag. Blut sickerte viel zu schnell aus einer hässlichen Bauchwunde. Suchend blickte sie sich um. Wiechert war verschwunden, Mörike hinterhergestürmt, der in Richtung Unterbacher See davongerannt war. Sonst war niemand zu sehen. Wo steckten die anderen? Wo war das SEK? Salomon und Wiechert waren doch bestimmt nicht allein gekommen! Behutsam hob sie Salomons Oberkörper an, zog ihm das Hemd aus und presste es auf die Wunde. Innerhalb kürzester Zeit war es vollgesaugt. Verdammt!
    Hinter ihr knackte es, und Halverstett, Schmitt und Köster tauchten auf.
    »Da entlang!«, rief Lydia und deutete in die Richtung, in die Mörike zwischen den Bäumen verschwunden war. Halverstett und Schmitt rannten weiter. Köster hockte sich neben sie, zog seine Jacke aus und hängte sie ihr um. Sie war so groß, dass sie ihr bis zu den Oberschenkeln reichte.
    »Gleich wimmelte es hier von Kollegen«, sagte er.
    Sie knöpfte die Jacke zu. »Wir brauchen einen Notarzt.«
    Köster nickte. »Ich mache das.« Er nahm sein Funk-gerät vom Gürtel und gab die Anweisung durch. Danach beugte er sich über Chris, der kaum hörbar atmete. »Das sieht nicht gut aus, Kleines«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
    »Ich weiß«, antwortete sie leise. Er breitete die Arme aus, und sie presste ihr Gesicht an seine Brust. Sie nahm kaum wahr, wie in der Ferne drei weitere Schüsse fielen, wie der Notarzt eintraf und Chris auf eine Trage gebettet und abtransportiert wurde, wie der Wald sich
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