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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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stürzte aus der Dunkelheit auf uns zu, die treuen Hunde hinter ihm. Ich erspähte unseren Sohn Juan, der noch in seinem Nachthemd steckte, aber sein Schwert samt der juwelenbesetzten Scheide in der Hand hielt. Er war erst kürzlich an seinem dreizehnten Geburtstag zum Ritter geschlagen worden und weigerte sich seitdem, sich sogar im Bett von seiner Waffe zu trennen. Bei seinem Anblick mit den zerzausten goldfarbenen Haaren, dem verrußten Gesicht, aber ansonsten unversehrt, schossen mir Tränen der Erleichterung in die Augen.
    Juana lief Fernando entgegen. Während er sie mit einem Arm umfasste, zog er mit dem anderen auch uns fest an sich. Eng aneinandergedrückt beobachteten wir, wie unsere große Leinwandstadt, das Denkmal unserer Eitelkeit und der wunderlichen Sprunghaftigkeit des Schicksals, ein Raub der Flammen wurde.
    Später sollte Juana darauf beharren, dass die Mauren einen brennenden Pfeil ins Lager geschossen hatten. Dem stand Cádiz’ kleinlaute Beichte gegenüber, jemand oder etwas, vielleicht einer seiner Hunde, hätte eine Öllampe umgeworfen und damit sein Zelt in Brand gesetzt. Was immer der Grund war, wir hatten fast unsere ganzen Habseligkeiten verloren, darunter auch unsere Garderobe, und mussten uns von unseren Hofdamen Roben und andere Kleidungsstücke ausleihen, bis die neuen Sachen, die ich sogleich in Sevilla bestellte, eintrafen.
    Von den Festungsmauern Granadas aus verhöhnten uns die Belagerten. Sie waren davon überzeugt, dass das Feuer unseren Untergang bedeutete, doch wir ließen uns nicht abschrecken. Unsere Ausstattung mochte in Schutt und Asche liegen, aber unser Wille war ungebrochen. Auf den verkohlten Überresten des Lagers ließ ich eine neue Stadt bauen, diesmal eine aus Stein. Zu Ehren unseres heiligen Glaubens, der uns vor dem Flammentod gerettet und sicher geleitet hatte, wollten wir sie Santa Fé nennen.
    Der Anblick unserer Maurer bei der Arbeit ließ das Johlen in Granada verstummen. Mehr noch als eine Stadt war Santa Fé eine Bekundung unserer Entschlossenheit. Hier würden wir notfalls jahrelang leben können. Boabdils Reaktion bestand darin, seine Kanone abzufeuern und Überfallkommandos auszusenden, um unsere Truppen zu drangsalieren. Doch als der Winter einsetzte und die Stadt zunehmend Hunger litt, brachen Aufstände aus. Angesichts der sich unter seiner Bevölkerung ausbreitenden Verzweiflung und Wut erkannte Boabdil, dass ihm keine andere Wahl blieb, als unsere Bedingungen zu akzeptieren: Amnestie für sein Volk, dem es gestattet sein würde, Sitten, Sprache und Kleidung beizubehalten. Wer das Land verlassen wollte, würde nicht daran gehindert werden; ja, wir würden ihn sogar mit den nötigen Mitteln ausstatten. Und wer konvertieren wollte, würde mit offenen Armen in der Kirche aufgenommen und durch die heilige Taufe von seinen früheren Sünden gereinigt werden. Darüber hinaus boten wir Boabdil dasselbe Gebiet in den Alpujarras, das sein Onkel El Zagal verschmäht hatte. Doch unter keinen Umständen würden wir ihm nochmals die Rückkehr nach Granada gestatten. An diesem Punkt hielt ich unverrückbar fest.
    Im Januar 1492 überbrachten seine Gesandten uns seine Kapitulation.
    Als wir die gefallene Stadt, die letzte maurische Bastion, betraten, fegte ein Schneetreiben feiner Asche gleich über unsere Prozession hinweg. Das Volk stand in gespenstischem Schweigen an den Straßenrändern und beobachtete, wie wir vorbeizogen und die Standarten unserer hohen Adeligen in der eisigen Morgenluft flatterten. Viele unserer Höflinge trugen ihre traditionellen, nach maurischer Art bestickten Waffenröcke als Zeichen des Respekts vor dieser großen Zivilisation, die ihre unauslöschlichen Spuren in unserem Land hinterlassen hatte. Vereinzelt zeugte jedoch ein Klageschrei einer hinter irgendeinem Gitterfenster unsichtbaren Frau von der Erkenntnis, dass die Welt, wie dieses Volk sie gekannt hatte, untergegangen war.
    Boabdil ergab sich vor dem Stadttor, wo er sich uns vor die Füße warf. Zum Zeichen unseres Einverständnisses stieg Fernando von seinem Pferd und umarmte den anderen Monarchen. Nun, im Augenblick unseres Triumphs, verstand mein Gemahl es, Großmut walten zu lassen.
    Mit zitternden Händen und Tränen in den Augen hielt ihm Boabdil die Stadtschlüssel entgegen. »Dies sind die letzten Überreste unseres Reichs«, erklärte er mit bebender Stimme. »Ihr bekommt unsere Trophäen, unsere Gefilde und uns selbst. So will es Allah.«
    Eine schwarz verschleierte,
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