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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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der Häuser bei lebendigem Leib auf die Straßen hinunterzuwerfen. Sie wollten keine Juden mehr in ihrer Mitte sehen, behauptete mein Großinquisitor. Die Zeit der Duldung der Mörder Christi sei in Spanien zu Ende.
    Auch wenn ich keine Beweise hatte, glaubte ich, dass diese angeblichen Aufstände Teil von Torquemadas Bestreben waren, Fernando und mich vor sich herzutreiben. Seine Spione, die sich jetzt unter dem Deckmantel der Inquisition in ganz Spanien ausgebreitet hatten, erzeugten einen wahren Hexenkessel der Angst mit dem Ziel, mich zu einer Entscheidung zu zwingen, die zu treffen ich mich bisher geweigert hatte. Allein schon die Vorstellung, dass Torquemada glaubte, er könne mich auf solche Weise manipulieren, versetzte mich in Wut. Doch egal, ob manipuliert oder nicht, ich musste mich mit der letzten Konsequenz befassen. Es war nicht mehr möglich, die drohenden Unruhen einfach zu ignorieren, um ein Volk zu schützen, das unseren Glauben nicht teilte.
    Als ich allerdings diese sechs geduckten Männer sah, die den weiten Weg aus Kastilien gekommen waren, um uns zu sprechen, die uns Millionen für unseren Kreuzzug geliehen hatten und immer noch meine heiß geliebten Juwelen als Pfand in Händen hielten, spürte ich auf einmal die Last ihrer Befürchtungen, als wären sie meine eigenen. Der Tag fiel mir wieder ein, an dem ich vor Jahren schon einmal mit dieser Zwangslage konfrontiert gewesen war und sie nicht gelöst hatte. Damals war es mir vermessen erschienen, unsere jahrhundertealte Politik der Toleranz aufzuheben.
    Als sich der alt gewordene Rabbi Señeor verneigte und ich die mit blauem Samt bezogene Schatulle mit meiner Halskette für die Hochzeit in seinen knotigen Händen erkannte, erinnerte ich mich wieder an Talaveras Worte:
    Die Stunde der Rechenschaft ereilt jeden. Wir können ihr nicht entkommen, sosehr wir das auch bedauern mögen .
    Rabbi Señeor hob die Stimme, die nach der strapaziösen Reise dünn und schwach war. »Wir treten vor Euch, um Eure Majestäten zu bitten, dem Antrag des Großinquisitors auf unsere Vertreibung aus diesem Reich kein Gehör zu schenken. Wie Ihr wohl wisst, haben wir seit jeher Eure Politik mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. Bitte sagt uns, was Ihr von uns, Euren immer treuen und demütigen Untertanen, wünscht. Worum Ihr auch bittet, es wird Euer sein.«
    Fernando warf mir einen scharfen Blick zu. Sein Rücken hatte sich schon versteift, als die Männer auf unser Podest zugetreten waren, und sein Gesicht hatte einen abweisenden Ausdruck angenommen, wie es bisweilen geschah, wenn er sich persönlich angegriffen fühlte. Er hatte die Verschärfung der Inquisition unterstützt, und ich vermutete, dass er keine allzu freundlichen Gefühle den Juden gegenüber hegte, obwohl sie es waren, die den Staatsschatz hüteten. Wie würde er sich jetzt verhalten?
    »Wir wollen nicht mehr als die Unterwerfung unter unsere Entscheidung«, sagte er abrupt. »Sosehr wir es bedauern, die Zeit ist gekommen, Eure Treue über materielle Güter hinaus zu beweisen.«
    Sein unheimliches Echo auf Talaveras Spruch erschreckte mich. Das hatte ich nicht erwartet und Señeor ebenso wenig. Der Rabbi erbleichte. »Majestad« , sagte er, an mich gewandt. »Wir bitten Euch als unsere Königin. Wir sind so viele und doch so machtlos. Wir appellieren an Eure tiefere Weisheit.«
    Das war ein Fehler. Nichts konnte Fernando zu größerer Wut reizen, als zu meinen Gunsten verschmäht zu werden. Bevor ich antworten konnte, deutete Fernando mit dem Finger auf den Rabbi. »Glaubst du etwa, mich verleugnen zu können?«, knurrte er mit bedrohlich leiser Stimme. »Auch ich bin hier Herrscher. Mein Herz liegt in den Händen unseres Herrn. Und Er, Er allein ist es, vor dem ich mich zu verantworten habe.«
    »Fernando«, murmelte ich, »bitte lass uns sie anhören.« Während mein Gemahl sich auf seinem Thron zurücklehnte, das Gesicht weiß wie die Wand, ermunterte ich den Rabbi: »Worum möchtet Ihr uns bitten, Don Señeor?«
    Er deutete hastig auf die schwarz gekleideten Gestalten hinter ihm, aus deren Mitte nun ein junger Mann mit kantigem Gesicht und von Sorgen überschatteten braunen Augen vortrat. Das war Rabbi Meir, Señeors Schwiegersohn und ebenfalls ein vertrauter Finanzier unseres Hofes.
    »Geh«, forderte Señeor ihn auf, »hol sie.«
    Meir und zwei andere hasteten hinaus. Sekunden später kamen sie mit einer großen Truhe zurück, die sie bis zum Fuß des Podests schleiften.
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