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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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Rabbi Meir sperrte das massive Schloss über dem Deckel auf und klappte ihn nach oben. Mehrere mit Fäden verschnürte und mit rotem Wachs versiegelte Säcke kamen zum Vorschein.
    »Dreißigtausend Dukaten«, erklärte Señeor, während die anderen zurücktraten. »Gesammelt von unseren Brüdern, um die Schulden Eurer Majestäten zu begleichen. Außerdem haben sich unsere Wucherer bereit erklärt, alle Eure Darlehen zu streichen und Euch Euren Schmuck zurückzugeben, ohne eine Entschädigung zu erwarten.«
    Meine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Erneut wanderte mein Blick zu Fernando. Ein Zucken an seiner Schläfe verriet mir, dass ihre Worte ihn berührt hatten. Religiöse Erwägungen hin oder her, wir waren verarmt, und zwar noch viel tiefer, als wir es nach außen zeigten. Nur unsere Kassenhüter kannten das ganze Ausmaß unserer Misere. Nur sie wussten, was wir alles mit dreißigtausend Dukaten bei der Sanierung unserer Schatzkammer ausrichten konnten, ganz zu schweigen von der Tilgung der vielen Darlehen, die wir mit den Jahren angehäuft hatten.
    »Mein Gebieter und Gemahl«, sagte ich. »Findet das Eure Zustimmung?«
    Schweigend und regungslos saß er da. Ein fast unsichtbares Zucken war das einzige Zeichen, dass er das Angebot erwog. Dann stieß er den Atem aus und setzte zu einer Antwort an. Doch ein plötzlicher Lärm am Portal lenkte ihn ab. Zu meinem Entsetzen schritt der hagere Torquemada mit flatternder Soutane auf uns zu. In den Augen in seinem ausgemergelten Gesicht, das mit den Jahren noch fesselnder, noch furchterregender geworden war, schienen achatgrüne Flammen zu lodern.
    Sein Blick fiel auf die offene Truhe. Das Herz rutschte mir in die Magengrube, da wirbelte er auch schon zum Podest herum. »Ich habe gehört, dass Ihr diese abscheulichen Lügner in Eure Nähe lasst, aber nie hätte ich mit diesem Anblick gerechnet! Judas Ischariot hat unseren Herrn für dreißig Silberlinge verkauft; und Ihr wollt Ihn ein zweites Mal verkaufen, jetzt für dreißigtausend? Gut, Ihr könnt Ihn haben! Nehmt Ihn und verhökert Ihn!«
    Damit riss er sich sein Kruzifix von der Brust, schleuderte es uns vor die Füße und stürmte hinaus. Betretenes Schweigen breitete sich aus. Den Blick auf das Kruzifix gesenkt, flüsterte Fernando schließlich: »Verlasst uns.«
    Keuchend machte Rabbi Señeor Anstalten, auf die Knie zu sinken.
    »Nein!« , brüllte Fernando. »Hinaus!«
    Sie wichen zurück. Als das Portal geschlossen wurde, blickte Rabbi Meir noch einmal über die Schulter. Seine Miene verriet tiefe Resignation.
    Ich war zu keiner Regung fähig. Die Truhe und die Schatulle mit meinem Hochzeitsgeschenk hatten sie zurückgelassen, aber ich sah nichts davon an. Ich hatte nicht vermocht, diese tief in Fernando sitzende Wut zu bedenken. Es war, als hätte der bloße Anblick von Torquemadas heftiger Geste mit dem Kruzifix in meinem Gemahl einen wilden Instinkt geweckt.
    Schließlich begann er mit zitternder Stimme zu sprechen. »Das ist Blutgeld. Torquemada hat recht: Wir haben unseren Triumph mit Blutgeld erkauft und müssen jetzt dafür büßen. Wir müssen dieses Edikt erlassen, Isabella. Kein Jude kann in unserem Reich bleiben; sonst sind auch wir verdammt.«
    Mein Mund und meine Kehle fühlten sich an, als hätte ich Sand geschluckt.
    »Wir haben unseren Triumph mit Darlehen erkauft«, brachte ich hervor. »Wie zahllose Könige vor uns. Die Juden haben schon immer unsere Finanzen geführt, das weißt du so gut wie ich. Sie waren für uns immer geschätzte Berater, Experten und Finanzverwalter. Was sollen wir ohne sie machen, wenn sie es vorziehen, nicht zu konvertieren?«
    Er strich sich mit den Händen über den Kinnbart. Das Geräusch, das er damit erzeugte, wirkte in der Stille wie ein Knall. »Soll das heißen, dass du damit leben kannst?« Er starrte mich aufgebracht an. »Du kannst mit der Angst leben, dass wir vielleicht bis in alle Ewigkeit in der Hölle brennen müssen, weil wir ihnen Vorschub zur Sünde geleistet haben?«
    Ich zitterte nicht. Weder schaute ich weg, noch wich ich seiner Frage aus. Ich stellte mich seinem Blick und ließ zu, dass ich in den Abgrund stürzte; ich zwang mich, die Qualen, die er mir entgegenhielt, zu sehen, zu fühlen und zu schmecken, Qualen, die uns drohen konnten, wenn ich dem Widerstreben in meinem Herzen nachgab.
    »Nein«, flüsterte ich und neigte den Kopf, als drückte mich die Last der Wahl bereits nieder, »damit kann ich nicht leben. Ich kann Spanien nicht
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