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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Autoren: Janine Höcker
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Erstes Kapitel: Bann der Finsternis
     
    Wild loderten die Flammen. Die Funken stoben in gleißenden Stößen viele Mannshöhen weit. Ihre langen, gluterhitzten Finger berührten den schwarzen Nachthimmel, gruben sich in seine Dunkelheit.
    Drei große Feuer waren um eine ausladende, vom Herbst gezeichnete Eiche herum errichtet worden. Ihr Glutlicht flackerte über den knorrigen Baum, tastete über seine Rinde und Furchen.
    Die Eiche war beinahe fünfzig Schritte hoch und ihr Stamm war so dick, dass nicht einmal zwanzig Männer ihn gemeinsam hätten umgreifen können. Ihr mächtiger Stamm strahlte Ruhe und Macht aus, die etwas Menschliches an sich hatten. Ihre gewaltigen Wurzeln schraubten sich tief in den Boden, tasteten nach Wasser, lechzten nach magischen Strömen, um sie dem Baum einzuverleiben. Betrachtete man die Eiche länger, konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, zwischen den dicken Ästen zwei funkelnde Augen ausmachen zu können.
    Sie war Drewja, die Opfereiche. Ein Baum, der älter war als die Menschheit und von weitaus mächtigerer Magie beseelt, als alle Priester des Landes gemeinsam sie hätten wirken können.
    Die Opfereiche war ewig, sie lebte, sie dachte und sie atmete. Von Zeit zu Zeit hatte sie in der Vergangenheit ihren Standort verlassen und war durch den Norden Bønfjatgars gezogen, auf der Suche nach einem Ort, an dem sie die nächsten Jahre zu verweilen gedachte.
    Der letzte Standort, den sie sich ausgesucht hatte, war eine große, von Farnen, Kräutern und Moosen bewachsene Lichtung inmitten des Silberwaldes, hoch im Norden Bønfjatgars.
    Umringt von dichtem, urwüchsigem und von kraftvoller Magie durchwobenem Mischwald ragte sie in der hügeligen Landschaft weit über die anderen Bäume hinweg. Ihre ausladende Krone war aus vielen Meilen Entfernung sichtbar.
    Seit jeher war sie von den Menschen des Nordens respektiert und geachtet und bereits vielfach um Ausübung ihrer Magie gebeten worden – zu mannigfaltigen Zwecken. Kein Mensch, nicht einmal der weiseste Zauberer, vermochte zu beurteilen, welche Auswüchse der Magie Drewja in sich trug. Dass es sich dabei allerdings nicht nur um gute und gottgefällige Magie handelte, war über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die grüne Magie der Natur, lichte Magie der Götter oder gar schwarze Magie – welche Zauber auch immer diese Baumseele wirkte, sie alle waren von urgewaltiger Kraft.
    Mit ihren dicken Wurzeln sog Drewja immer neue Zauberkraft aus dem Erdboden. Sie zapfte magische Ströme an, sog die Magie auf wie Moos das Wasser. Ein Umstand, der die Eiche schon des Öfteren unter Angriffen von Priestern und anderen, einzig auf weiße Magie und gute Kräfte bedachte Wesen, hatte erbeben lassen. Bis heute allerdings zeichneten lediglich einige Narben die dicke Rinde des urwüchsigen Baumes und nicht etwa Verletzungen, die seinen Tod hätten bedeuten können.
     
    Bønfjatgar schrieb das Jahr 376 nach dem Bündnis. Die alten Schriften verrieten, dass Drewja seit nunmehr zweihundert Wintern am immer gleichen Ort weilte. Seit etwa der gleichen Zeit war die Baumseele einem finsteren Hexenzirkel als Opferstätte dienlich.
    Hatte der Bund unter den verwobenen Grauen – die größte und einflussreichste Zauberergilde der schwarzen Künste in ganz Bønfjatgar – zu Beginn seines Bestehens im Verborgenen agiert, traten seine finsteren Zauberer nun immer häufiger in die Öffentlichkeit. Durch das Ausüben der schwarzen Künste versuchten sie, ihren Einfluss im Norden des Landes zu mehren, sowie Tod und Finsternis zu verbreiten.
    Der Zirkel zählte mehrere Hundert Mitglieder. Die meisten von ihnen waren Hexerinnen und Hexer, doch auch eine Vielzahl anderer Zauberer befand sich unter ihnen. Beinahe alle Mitglieder reisten die meiste Zeit des Jahres durch ganz Bønfjatgar, auf der Suche nach Ansehen, nach Reichtum, nach Macht – jeder verfolgte seine eigenen Ziele. Einige von ihnen zogen auch über die Landesgrenzen hinaus fort, um die Magie ferner Länder zu studieren, oder um ihre finsteren Zauber an fremden Orten zu wirken.
    Zu bestimmten Zeiten im Jahreskreis allerdings versammelten sich die meisten Anhänger des Zirkels an ihrem Heiligtum und Zentrum ihres Zirkels, am Fuße der Opfereiche. Meist taten sie dies, um das Pantheon der finsteren Götter der verwobenen Grauen anzubeten oder sie durch Opfer und Rituale zu besänftigen. Die verwobenen Grauen waren grausamer als alle anderen in Bønfjatgar bekannten Gottheiten, kälter als das Eis des
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