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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Autoren: Janine Höcker
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Zeitpunkt vollführt werden musste, obwohl sie diesem Fest niemals zuvor beigewohnt hatte.
    Die zierliche Frau zählte zweiundzwanzig Winter. Vor nunmehr fünf Jahren hatte sie ihr Noviziat im Bund unter den verwobenen Grauen angetreten. Ihr Mentor war der Hohepriester selbst. Ein Mann von beeindruckendem Charisma und mit magischen Fähigkeiten gesegnet, die Auriel bei den anderen Zauberern des Zirkels vergeblich suchte.
    Auriel, so hatte der Hohepriester einst erwähnt, war die geschickteste und gelehrigste Schülerin, die er je kennengelernt hatte. So hatte er ihr die Ehre zuteilwerden lassen, noch während ihrer Zeit als Novizin diesem wichtigen Fest beiwohnen zu dürfen. Dies wurde für gewöhnlich lediglich ausgebildeten Zauberern gestattet, die bereits tiefe Einblicke in die schwarze Magie gewonnen hatten.
    Die junge Novizin stand aufrecht und voller Stolz auf einem der umliegenden Hügel dicht am Waldrand. Sie beobachtete aus der Ferne ihren Mentor und die Zauberer, die sich um ihn scharten. Allein der Anblick des Hohepriesters jagte ihr Schauer über den Rücken. Ihr Herz pochte laut, sie atmete flatternd. Auriel betrachtete den vermummten Mann mit Ergriffenheit. Zu wissen, dass sie gleich in seiner Nähe stehen würde, ließ ihre Knie zittern.
    Ich wünschte, ich hätte den Ritus der Verschmelzung mit ihm begehen können , dachte sie wehmütig. Von den verführerischen Handlungen der erotischen Riten waren Novizen ausgeschlossen. Der Hohepriester allerdings hatte ihnen beigewohnt. Allein die Vorstellung an ihren Mentor, schwer atmend und begierig, dem Höhepunkt entgegen zu eilen, ließ die junge Frau schwer atmen. Ich muss mich beruhigen. Auriel atmete tief ein, ihr Blick löste sich von dem mächtigen Zauberer. Von ihrem Standpunkt aus hatte die Novizin einen imposanten Ausblick auf die scheinbar unendliche Waldlandschaft, auf die riesenhafte Eiche und die drei Feuer, deren Hitze sie bis zu sich hinauf zu spüren glaubte.
    Der kalte Wind verriet das baldige Nahen des Winters. Die vom Herbst gezeichneten Blätter, die er mit sich führte, stellten die Vergänglichkeit des Seins bildhaft dar.
    Auriel fing eines der Blätter auf, ließ es durch ihre schmalen Finger gleiten.
    „Bald werde ich es sein, die über die Endlichkeit von Dingen gebietet.“ Ihre dunklen Augen blitzten begierig, Machthunger malte sich in ihren Zügen. Auriels volle Lippen kräuselten sich. „Noch zwei Winter und ich werde einigen dieser Zauberer deutlich überlegen sein.“ Ein überhebliches Lachen entwich ihrer Kehle, als sie das Blatt zerrieb und ihre Blicke wieder auf das Geschehen auf der Lichtung lenkte.
    Im gleichen Moment verkündete der Hohepriester den Ablauf des Rituals.
    „Wie Ihr alle wisst, fordern die Götter zum Opfer jede neunte Herbstwende je neun Tode von neun unterschiedlichen Wesen.“ Der Mann rieb sich die Hände. Zischend fügte er hinzu: „Wir besitzen sie alle. Neun von jeder Rasse, zusammen ganze einundachtzig Wesen, die den Göttern zum Opfer gereicht werden.“
    Lauter Jubel erklang aus Hunderten Kehlen, wurde jedoch fast vollständig von dem Dröhnen der Trommeln übertönt.
    Auriel wusste, was im Folgenden geschehen würde. Allein der Gedanke an das Ritual erfüllte sie mit einem wohligen Schaudern.
    „Bald werden die Götter gnädig gestimmt sein und uns wieder all ihre Gunst zuteilwerden lassen“, jauchzte sie mit aufgeregt zitternder Stimme. Vielleicht komme auch ich in den Genuss ihrer Gönnerschaft. Dann wird mir ein Einblick in die schwarzen Künste der verwobenen Grauen selbst zuteilwerden. Begierig leckte sie über ihre Lippen.
    Die junge Novizin wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis der Hohepriester sie zu sich rufen würde, um ihm bei der Ausführung des Rituals zur Hand zu gehen. Er hatte ihr gesagt, dass er es für richtig hielt, sie schon zu diesem frühen Zeitpunkt in die Ritualkunst einzuführen. Er malte ihr eine große Zukunft als Hexerin aus und verlangte, dass sie alle Aufgaben weit eher anging, als die anderen Schüler des Zirkels.
    Auriel war sich nicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Ausbildung sicher gewesen, ob die Wege, die ihr der Hohepriester zu gehen befahl, die Pfade waren, auf denen sie schon zu wandeln bereit war. An dem heutigen Abend jedoch spürte sie es genau – sie war bereit. Das Verlangen, das sich auf der Suche nach Macht und Einfluss durch ihre Venen fraß, die ungezähmte Gier nach Blut und Tod, die in ihren Eingeweiden grub und ihr Blut kochen
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