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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein Spezialist. Wir können uns auf ihn verlassen.« Kewei Tuo zeigte auf die großen Glastüren der Halle. »Können wir fahren, Sir?«
    »Ich habe noch nicht gefrühstückt, meine Herren«, antwortete Evans tadelnd. »Ich habe Hunger.«
    »Wir werden unterwegs bei einem guten Restaurant anhalten. Es ist für Sie bestimmt von Interesse zu sehen, wie Chinesen frühstücken. Immer eine warme Suppe, Reis oder Nudeln. Ein Tag, der nicht mit einer heißen Suppe beginnt, ist für uns nur ein halber guter Tag. Gehen wir?«
    Was er da redet, ist Quatsch, dachte Evans. Ob ich nun hier im Hotel frühstücke oder unterwegs … Aber er vermied es, darüber zu diskutieren. Du bist Gast in diesem Land, dachte er. Das 3. Ministerium für Maschinenbau ist dein Gastgeber. Auch darüber hatte Evans gestaunt … es gab sieben Ministerien für Maschinenbau in Beijing. Was tun sie nur den ganzen Tag, diese sieben Minister mit einem Heer von Beamten? dachte Evans. In diesem Land ist wirklich alles anders. In England kommt man mit einem Wirtschaftsministerium aus.
    »Wie lange fährt man zum Steinwald?« fragte Evans.
    »Drei Stunden, Sir.«
    »Ich dachte, es wäre näher.«
    Kewei Tuo lächelte, ohne daß sich der Ausdruck seiner Augen veränderte. Nur die Mundwinkel zogen sich ein wenig nach oben … ein kaltes Lächeln.
    »Entfernungen sind in China kein Thema. Auch die Zeit nicht. Die meisten tragen eine Uhr nur als eine Art Schmuck … was die Zeiger sagen, ist nicht so wichtig. Wir sind keine Sklaven der Uhr.«
    Sie verließen das Hotel ›Goldener Drache‹. Wieder rissen zwei Boys die großen Glastüren auf, wieder prallte, trotz des frühen Morgens, Evans gegen eine Wand aus Hitze. Erstaunt blieb er stehen; in der Auffahrt wartete ein schmucker, schwarzer VW-Santana. Er war wahrscheinlich in Shanghai montiert worden, im ersten westlichen Autowerk des sich wandelnden Chinas.
    »Ist das unser Wagen?« fragte Evans.
    »Ja, Sir.«
    »Gestern hatten wir einen Toyota-Geländewagen.«
    »Wir dachten, ein Santana ist bequemer.«
    »Ohne Chauffeur?«
    »Herr Sha Zhenxing wird uns fahren.«
    Der kleinere Chinese nickte, und sein Gesicht strahlte, als habe man ihn mit einem Geschenk beglückt.
    »Dann also los!« Evans trat an den Wagen heran. Er riß die Beifahrertür auf, aber Kewei öffnete die hintere Tür. »Sie sitzen hinten, Sir!« sagte er. »Da haben Sie mehr Platz. Bitte …«
    Evans nickte, stieg in den Wagen und legte seine Kamera in den Schoß. Es war eine teure Spiegelreflex-Kamera einer weltbekannten Firma, mit einem Zoomobjektiv 35-110 mm. Evans legte beide Hände wie schützend über den Apparat. Was hatte diese Kamera nicht schon alles gesehen: den Regenwald in Brasilien, den Ayers Rock in Australien, die Pipeline in Alaska, den Kilimandscharo in Afrika, den Fudschijama in Japan.
    Sha Zhenxing klemmte sich hinter das Lenkrad, ließ den Motor an und drückte mit der anderen Hand auf einen Knopf. Die Hintertüren wurden lautlos verriegelt. Evans war eingeschlossen. Aber der hatte nichts bemerkt. Er lehnte sich in das Polster zurück, die Hände immer noch wie ein schützendes Dach über die Kamera haltend, und blickte hinaus auf das Verkehrschaos aus Fahrrädern, Karren, Lastwagen, Radtaxis, Autotaxen und Menschen.
    Menschen. Menschen. Menschen. Ein Gewimmel von Beinen, Leibern, Armen und Köpfen, das an der großen Kreuzung von Beijing Lu, der breiten Prachtstraße zum Hauptbahnhof, und der Huan Cheng Lu, die man auch 1. Ring nannte, zu einem unentwirrbaren Knäuel wurde. Dazwischen, von allen Seiten, die hupenden Autos, die sich in der Mitte der Kreuzung ebenfalls zu einem – so schien es – verschlungenen Knäuel zusammenballten. Es gab zwar Ampeln und zwei Polizisten in einem Türmchen zur Überwachung des Chaos, aber es gab Stunden, da sie resignierten. Evans starrte aus dem Fenster.
    »Wahnsinn«, sagte er.
    »Der normale Verkehr in Kunming.« Kewei Tuo drehte sich zu ihm um. »Erstaunlich, daß trotzdem so wenig passiert. Wir reagieren schnell …«
    Dabei lächelte er wieder geheimnisvoll. Evans erkannte den Doppelsinn der Worte nicht … er war fasziniert von dem Straßengewühl und den Menschenmassen.
    »Können wir einen Augenblick anhalten?« fragte er.
    »Nein.«
    »Ich möchte das alles fotografieren.«
    »Später, wenn wir zurückkommen.«
    Sha Zhenxing umfuhr mit lautem Hupen das Gewühl, ohne jemanden anzurempeln und zu verletzen. Evans, selbst kein ängstlicher Autofahrer, nickte ein paarmal
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