Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
auch die Höflichkeit verschwand. »Es wäre auch gegen meinen Plan.«
    »Wie soll ich das verstehen?« Evans kühlte wieder mit dem nassen Taschentuch seinen Nacken, aber die Feuchtigkeit war warm geworden. »Was für einen Plan?«
    »Sie zu töten!« sagte Kewei wie beiläufig, als erklärte er: Das da, dieser Felsen, heißt ›Der Elefant‹.
    Evans zog das Kinn an. Er liebte zwar den britischen Humor, aber das hier war zuviel. »Das war ein dummer Witz, Herr Kewei!«
    »Bitte, legen Sie Ihre Fröhlichkeit ab, und begreifen Sie den Ernst Ihrer Lage.«
    Evans begriff immer noch nicht. Wie sollte er auch? Zwei Dolmetscher des staatlichen Reisebüros CITS führten ihn in den Steinwald und hatten sich verlaufen. Jungs, so was kann doch vorkommen. Wieso ist die Lage ernst? Und was heißt hier töten?
    »Nehmen Sie das mit vor Durst sterben nicht so wörtlich«, lachte er verlegen. »So war es nicht gemeint. Ein Glas Bier, und ich bin wieder topfit! Bei uns sagt man: Durst ist schlimmer als Heimweh …«
    Er lachte kurz auf, aber Kewei und Sha verzogen keine Miene.
    »Bei uns sagt man«, entgegnete Kewei mit eisiger Ruhe: »›Der Verräter trägt sein Haupt in den Händen.‹ Leider haben wir offiziell das Schwert abgeschafft, eine uralte Tradition ist damit erloschen. Aber der Sinn des Spruches ist geblieben.«
    Evans schüttelte den Kopf. »Ich begreife den Sinn nicht. Was hat das mit unserem Ausflug in den Steinwald zu tun?«
    »Hier hört Sie keiner, wenn Sie schreien … hier findet Sie keiner, wenn Sie tot sind … hier sind Sie für immer verschollen.«
    Evans starrte Kewei Tuo verständnislos an. Er spürte ein merkwürdiges Gefühl in seiner Brust, aber noch immer war er der Ansicht, daß alles nur ein makabrer Scherz war.
    »Ich habe nicht die Absicht, hier zu sterben«, sagte er mit gespielter Fröhlichkeit. »Gehen wir und suchen wir den Ausgang!«
    »Wir bleiben!«
    »Meine Herren!« Evans erhob die Stimme etwas. »Ich muß schon sagen … Nichts gegen Ihr Reisebüro, aber ich habe mir eine Betreuung doch anders vorgestellt.«
    »Schimpfen Sie nicht auf unser hervorragendes Reisebüro. Es ist vorbildlich.« Kewei betrachtete Evans wie ein Schneider, der Maß nimmt. »Ein Irrtum Ihrerseits … wir sind nicht vom CITS.«
    Evans brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was er gehört hatte. Dann wiederholte er irritiert: »Was? Sie kommen nicht vom CITS?«
    »Nein.«
    »Ja, was denn? Wer sind Sie?«
    Evans wich zurück, aber dabei prallte er gegen Sha Zhenxing, der jetzt dicht hinter ihm stand. Keweis kalter Blick glitt über Evans. Er sah, wie der Engländer plötzlich erstarrte. Sha hatte ihm den Lauf einer Pistole in den Rücken gedrückt, und Evans spürte sie deutlich.
    »Sind … sind Sie verrückt geworden?« war alles, was Evans mit krächzender Stimme hervorstoßen konnte. »Was wollen Sie von mir?«
    »Ihr Leben …«
    »Ich schreie!«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt: Hier hört Sie niemand. Wir sind weit weg von der normalen Welt … eine Urwelt hat keine Ohren.«
    »Mein Gott, was habe ich Ihnen getan? Wollen Sie mein Geld? Da haben Sie einen Fehler gemacht, das Geld liegt im Tresor des Hotels!«
    »Ich mache nie einen Fehler.« Kewei schüttelte den Kopf, als wolle er sich bestätigen. »Wenn Sie mir eine Million Dollar bieten würden oder noch mehr, Sie können Ihr Leben nicht zurückkaufen. Sie müssen sterben.«
    »Aber warum? Warum? Wenn Sie kein Geld wollen, was dann?«
    »Es genügt, daß wir uns kennengelernt haben. Daß Sie mir ins Gesicht gesehen haben und mich jederzeit identifizieren können. Jetzt werden Sie fragen: Was habe ich verbrochen, womit habe ich den Tod verdient, wofür werde ich sterben müssen? Sie sehen mich fassungslos an … kennen Sie die Antwort auf diese Frage wirklich nicht?«
    »Sie sind ein Irrer!« schrie Evans auf. »Ein Irrer! Oder Sie verwechseln mich.«
    »Erinnern Sie sich, Mr. Evans: Sie hatten vorgestern im Hotel Besuch. Ein Herr namens Cheng Zhaoming setzte sich am Abend an Ihren Tisch und plauderte mit Ihnen über unsere schöne Pianistin.«
    »Ist das ein Verbrechen?«
    »Herr Cheng bat Sie dann später, für ihn ein kleines Paket nach Hongkong mitzunehmen, wenn Sie wieder abreisten.«
    »Ja. Ein Mann würde mich dort erwarten.«
    »Richtig. Und was antworteten Sie?«
    »Ich will es mir überlegen … das habe ich gesagt.« Evans spürte, wie ihm jetzt der kalte Schweiß ausbrach. Er sah die Szene wieder vor sich: Der elegante freundliche Chinese. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher