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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spaziergang. Und wenn uns die Polizei wirklich beobachten und bewachen sollte – du kennst doch die Chinesen. Sie haben Zeit, viel Zeit. Einmal wird die Polizei sich zurückziehen, denn sie kann ja nicht ein Jahr oder länger um unser Haus stehen. Und dann sind sie da und nehmen Rache. Ein Triade vergißt nie! Liyun, wir müssen heute noch die Insel verlassen.«
    Liyun nahm Ying auf den Arm, und zusammen rannten sie zum Haus zurück.
    Willy Hensch hatte sich einen Whisky eingeschüttet, mit viel Eis und Wasser, und zeigte deutliche Zeichen von Ungeduld. Er blickte auf seine Armbanduhr.
    »Wir haben nur noch eineinhalb Stunden Zeit. Wir müssen das Schiff bekommen. Kann ich Ihnen beim Packen helfen?«
    »Danke. Es geht ganz schnell. Wir haben ja Übung darin.«
    Die ganze Bitterkeit eines verlorenen Lebens lag in diesem einen Satz.
    Liyun drückte Ying-Regina an sich. Das Kind sah mit großen Augen den fremden Mann an. »Sie haben ein sehr schönes Kind«, sagte Hensch gepreßt. »Es ist so schön wie Sie …«
    »Wer hat uns verraten?« fragte Liyun. Ihr Blick ließ Hensch zur Seite sehen. Er kam sich elend und hilflos vor.
    »Wir wissen es nicht, Frau Yang. Wir wissen nur, daß irgendwo bei uns vertrauliche Vorgänge weitergegeben werden. Jetzt sind Sie ein Opfer dieser Schweinerei!«
    Und wieder, wie vor zwei Jahren, packten Rathenow und Liyun zwei Koffer und einen kleinen dazu für Ying-Regina.
    Wie damals in Grünwald nahmen sie nur das Nötigste mit: die Manuskripte, Unterlagen, die CD mit dem Klavierkonzert Nummer eins von Tschaikowsky, Hemingways ›Der alte Mann und das Meer‹ und Scholochows ›Der stille Don‹, die alte Schreibmaschine, ein bißchen Unterwäsche, drei Kleider, zwei Anzüge, Schuhe, Hemden, alles, was man für den Übergang ins Normale braucht … und die Batik mit dem tanzenden Bai-Mädchen und den drei weißen Tauben.
    »Fertig!« sagte Rathenow, als er aus dem Schlafzimmer herauskam. Willy Hensch lief schon ungeduldig hin und her. »Wir können.«
    »Es ist auch höchste Zeit. Ich habe bei der Hafenmeisterei angerufen. Sie warten auf uns und geben die Ausfahrt erst frei, wenn wir an Bord sind. Das Taxi steht schon vor der Tür.«
    »Und wer regelt das alles mit dem Haus?«
    »Das übernehmen die Kollegen von der Guardia Civil. Gehen wir?«
    »Ja.«
    Liyun mit Ying auf dem Arm, dann Rathenow, zum Schluß Willy Hensch stiegen die Steintreppe hinunter, vorbei an den blühenden Büschen und Palmen und der sich sonnenden weiß-roten Tigerkatze, die sie ›Tigris‹ getauft hatten. Sie stiegen in den Wagen. Der Chauffeur und Hensch verstauten das Gepäck im Kofferraum. Liyun hob Ying auf Rathenows Schoß. Dann wollte sie die Tür öffnen. Rathenow hielt ihre Hand fest.
    »Wohin? Was willst du?«
    »Ich will von Tigris Abschied nehmen.«
    »Nein! Bleib sitzen! Bitte! Und wenn wir abfahren, sieh dich nicht um, blick nicht zurück – wie damals in Grünwald! Nimm Abschied mit dem Herzen, aber nicht mit den Augen! Man soll nicht trauern, wenn man etwas verliert. Das Neue wartet schon. Es gibt immer wieder einen Anfang.«
    »Unser schönes Paradies, Bi Xia …« Sie preßte den Kopf an seine Schulter und begann zu weinen. »Wir waren so glücklich. Was wird jetzt kommen?«
    »Ich weiß es nicht, Niang Niang.« Rathenow drückte das Kind an sich und legte den anderen Arm um Liyuns Nacken. »Die Welt ist groß genug für drei Menschen, die nichts wollen als leben. Nur – ich habe eine schreckliche Ahnung.«
    »Wir werden nie Ruhe finden«, sagte Liyun leise, und ihre Tränen rannen Rathenow über den Hals.
    »Ja. Das wird unser Leben sein – gejagt von den Triaden, immer in Angst, immer auf der Flucht …«
    »Aber überall, wo wir sein werden, ist unsere Liebe, Bi Xia, und überall wird es schön sein, weil wir zusammen sind. Was auch geschieht – ich bin so glücklich, wenn du Niang Niang zu mir sagst …«
    Sie fuhren ab, die Schotterstraße hinunter nach Agulo und zum Hafen, wo das Schiff auf sie wartete, und sie blickten nicht zurück, hielten sich umschlungen, Ying-Regina zwischen sich.
    Eine kleine glückliche Familie, die vor dem Tod floh.
    In Teneriffa stiegen sie in das nächste Flugzeug nach Madrid, blickten hinunter auf den blauen Atlantik, die weißen Häuser, die Bananenplantagen, die Baranquos und den immer mit Schnee bedeckten Gipfel des Teide, der sich mit atemberaubender Majestät in den Himmel erhob und in der Sonne wie Diamantenstaub glitzerte. Ying spielte mit kleinen
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