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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die getigerte Katze – und über allem ein unendlicher blauer Himmel und zu ihren Füßen die leuchtenden Häuser der Stadt und das leicht gekräuselte Meer, in dem im Dunst der Hitze wie ein dunkler Strich die Küste von Teneriffa sich abhob.
    »Gefällt es dir?« fragte Rathenow, selbst überwältigt von der Schönheit dieses Fleckchens Erde. »Niang Niang – unsere letzte Station …«
    »Es ist wie ein Traum, Bi Xia.« Sie warf sich herum und drückte ihr Gesicht an seine Brust. »Ich will hier nie, nie wieder weg. Wir haben unsere kleine Welt gefunden.«
    Das war vor zwei Jahren gewesen.
    Jetzt hatten Señor Dr. Fresius und Señora Yang Chunli Spanisch gelernt – sie schneller und besser als er. Wieder einmal zeigte sich, daß Asiaten wahre Sprachgenies sind und sich in jede Sprache hineindenken können. Rathenow hatte da größere Mühe; er paukte wie in der Schule Grammatik und einwandfreie Sätze, während Liyun einfach drauflosplapperte, keck und unbekümmert, wie es ihre Art war. Und wenn in der ersten Zeit ihr Spanisch sich über alle Sprachregeln hinwegsetzte – im Ort, in der Bodega, beim Kaufmann, die Bauern, alle verstanden sie, lächelten sie an und sagten dann untereinander: »Die Señora ist eine gute Frau.«
    Während Liyun einkaufte, kochte und den herrlichen Garten pflegte, schrieb Rathenow wieder an seinem ersten Roman. Bisher hatte er ja nur wissenschaftliche Arbeiten geschrieben und Reiseerzählungen, die aber überraschend gut ankamen. Doch ein Roman – das war etwas völlig anderes, und Rathenow hatte große Schwierigkeiten. Immer wieder zerknüllte er die Seiten, die er am Tag vorher geschrieben hatte. Nie war er zufrieden. Wie hat einmal ein bekannter Schriftsteller, den die ganze Welt las, gesagt: »Ein Buch zu schreiben, einen Roman, ist die blutsaugendste Knochenarbeit, die ich kenne.«
    Rathenow schrieb jeden Tag einige Stunden. Dann lag er auf der Veranda und erholte sich, half Liyun im Garten und werkelte mal da, mal dort, bis sie sagte: »Laß das, Bi Xia … du machst mehr kaputt, als nötig ist!« Oder er fuhr hinunter nach Agulo, setzte sich unter den Sonnenschirm einer Hafenkneipe und skizzierte in einem Malblock Menschen, Gesichter und Situationen. Das war das Neueste: Er begann zu malen. Liyun nahm diese neue Leidenschaft schweigend hin. Nur einmal fragte sie, eine der Skizzen in der Hand haltend: »Was ist das?«
    »Ein alter Fischer«, antwortete er.
    »Ach ja.« Sie gab ihm das Blatt zurück. »Ich dachte, es ist eine tote Ziege.«
    Zwei Tage lang war Rathenow darauf beleidigt und blieb einsilbig. Erst in der dritten Nacht war er zur Versöhnung bereit.
    Ein Jahr später bekam Liyun ein Kind. Ein Mädchen. Sie nannten es Ying-Regina, und es wurde im Haus geboren, was Señor Trajillo sehr freute und ihn bewog, sich als Pate zur Verfügung zu stellen. »Das ist Tradition!« rief er und umarmte Rathenow. »Wer in diesem Haus wohnt, muß auch in diesem Haus Kinder kriegen! Verstehen Sie jetzt, Señor Fresius, daß ich das Haus nie verkaufen kann?«
    Eines Abends saßen Liyun und Rathenow auf der Terrasse und sahen auf das rot und golden schimmernde Meer und den flammenden Abendhimmel. Ying-Regina schlief schon lange in dem neu eingerichteten Kinderzimmer. Es war ein braves Mädchen, schrie wenig und schlief viel. »Das hat sie von dir«, hatte Rathenow einmal gesagt. Und Liyun hatte gefaucht: »Und von dir die ›Langnase‹. Schrecklich.«
    »Wir müssen etwas besprechen, Liyun«, sagte Rathenow jetzt.
    »Etwas Ernstes? Deine Stimme klingt so anders …« Sie sah ihn fragend an. »Was ist es? Ist es etwas Böses?«
    »Es betrifft uns, Niang Niang …«
    »Uns? Dann kann es nichts Böses sein. Wir sind glücklich.«
    »Wir haben nun ein neues Leben begonnen, wir haben ein Haus, und wir haben ein Kind – hast du nie daran gedacht, daß wir heiraten könnten?«
    Sie schwieg und blickte in die untergehende Sonne. »Manchmal schon«, antwortete sie zögernd.
    »Ich möchte, daß wir heiraten, ich habe es immer gewollt – aber es wird nie möglich sein.«
    Ihr Kopf fuhr herum. »Warum? Liebst du mich nicht mehr?«
    »Liyun, wie kannst du so etwas fragen?« Er nahm ihre Hände und spürte, wie sie zitterte. »Wir könnten nur unter meinem Namen Rathenow heiraten … aber den gibt es nicht mehr. Es gibt auch keine Wang Liyun mehr, sondern eine Yang Chunli. Wir müßten als Dr. Fresius und Frau Yang heiraten – aber die haben beide keine Geburtsurkunden. Ohne Papiere wird
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