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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ganz Agulo in helle Aufregung und Begeisterung versetzt, als sie im Karneval, den man auch auf Gomera mit Umzug und Straßentanz feierte, in einem spanischen Kostüm auf der Plaza zusammen mit dem Señor einen Fandango tanzte, einen andalusischen Paartanz mit Kastagnetten-Geklapper und begleitet von den Gitarren dreier Bananenarbeiter, die in der Finca neben ihrem Haus wohnten. Der Bürgermeister war so begeistert, daß er der Señora seine gestickte Bauchschärpe um den schlanken Körper wickelte. Eine spanische Chinesin – wo gab es das noch einmal?
    Der beliebte Fremde von Agulo wohnte jetzt zwei Jahre in der Casa del Vino. Er hatte das Haus ein wenig umgebaut und verhandelte nun schon über ein Jahr mit dem Besitzer Señor Antonio Gomez Trajillo über einen Verkauf. Aber der Weinhändler, der jetzt eine Firma in San Sebastián de la Gomera betrieb, wies alle Geldangebote des Dr. Fresius ab, sogar eine Zahlung in Dollars.
    »Ich bin in diesem Haus geboren«, sagte er. »Meine Mama hat dort vierzig Jahre lang gewohnt, mein Papa ist darin gestorben, sechs Kinder sind in ihm zur Welt gekommen – wie kann man so ein Juwel verkaufen? Glauben Sie mir, Señor – wenn ich es verkaufen würde, dann nur an Sie! Aber solange ich lebe, gebe ich es nicht her.«
    Womit Señor Fresius sein Geld verdiente, darüber hatte man in den Bodegas lange diskutiert. Manche sagten, er sei einfach reich, andere, er habe Fabriken in Deutschland, bis der Bürgermeister allen Spekulationen ein Ende setzte, indem er preisgab:
    »Auf der Anmeldung steht: Er ist Ethnologe. Und er schreibt ein Buch. Und davon lebt er. Manchmal malt er auch – aber schlecht.«
    »Was malt er denn?« Der Bodega-Wirt zeigte sich sehr interessiert. Ein paar Bilder eines Fremden an den Wänden machten sich immer gut. Und man konnte damit bei den Badegästen werben: Seht her, das ist von einem ganz bekannten Maler. Seit zwei Jahren ist er Bürger von Agulo. Will gar nicht mehr weg, so gut gefällt es ihm bei uns. Diese Bilder hat er hier gemalt. Meisterwerke … seht sie euch an! Das würde sich rumsprechen und viele neue Gäste bringen.
    »Er malt vor allem Blumen und unsere Stadt und die Playas und die Aussicht vom Mirador da Carbonera über die Hügel und das Meer …«
    »Das kann ich gebrauchen!«
    »Nur haben alle Gemälde einen Fehler.« Der Bürgermeister zwinkerte dem Bodega-Wirt zu. »Sie sehen alle chinesisch aus.«
    Die Enttäuschung des Wirtes dämpfte die Kauflust. Aber weil es Señor Fresius war, verzieh er ihm sogar die Verfremdung der spanischen Landschaft, was eigentlich einer Beleidigung von ganz Gomera gleichkam.
    »Er ist eben ein besonderer Mann, unser Señor Fresius«, sagte er. »Es kann nicht jeder einen Blick für die Schönheit unserer Insel haben.«
    Aber das war ein Irrtum.
    Als Rathenow und Liyun vor zwei Jahren im Hafen von San Sebastián de la Gomera landeten, nachdem sie in Los Christianos auf Teneriffa zwei Tage warten mußten, bis sie einen Platz auf dem Pendelschiff bekamen, und dann mit einem Taxi in die Berge von Enchereda und auf abenteuerlichen Serpentinen wieder hinunter bis zur Küste von Agulo fuhren, war Liyun zunächst still geworden und sah, in die Polster zurückgelehnt, auf die wild-romantische Landschaft der Insel. Rathenow sprach sie nicht an. Er ahnte, was sie dachte, und er sah, daß sie die Tränen unterdrückte und sich auf die Lippen biß, um ihr Zittern nicht zu verraten.
    Und dann standen sie vor dem Haus des Señor Trajillo, vor dem Blumengarten, den Bananen und Orangen und der die ganze Breite des Hauses einnehmenden Veranda mit ihren zierlichen weißen Säulen. Am Fuß der Treppe, auf einem Mauerpfeiler, sonnte sich eine weiß-rot getigerte Katze und hob nur träge den Kopf, als das Taxi bremste. Der Fahrer drehte sich zu Rathenow und Liyun um und streckte den Arm aus.
    »Da!« Es war außer ›Gutes Bier‹ das einzige deutsche Wort, das er kannte. Und dann auf spanisch: »Ihre Casa del Vino, Señor.«
    Zögernd stieg Liyun aus und zuckte zusammen, als sie Rathenows Arm um ihre Hüfte spürte.
    »Wir sind am Ziel«, hörte sie ihn sagen. »Das ist unser Haus …«
    Sie blickte hinauf und umfaßte alles mit einem langen Blick. Die ockergelben Wände, das rote Dach, die grünen Läden vor den Fenstern, die Veranda, die Blumenbeete, die sich um das Haus zogen und es wie ein heiteres, sonnenüberflutetes Bild einrahmten, die Treppe aus den Steinen des Vulkangebirges, die Palmen und großen Farne, die Kakteen
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