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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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woher die Zebras kamen, denn in China hat es sie nie gegeben.
    Evans amüsierte sich köstlich darüber, setzte sich auf eines der angemalten Zebras und ließ ein Foto machen. Die werden in Birmingham staunen. Zebras in China. Total verrückt. Sein Frühstück vergaß er dennoch nicht.
    »Wo ist das Restaurant?« fragte er, als er von dem ›Zebra‹ kletterte.
    »Weiter drinnen … fast in der Mitte des Steinwalds.« Kewei Tuo ging voraus, Sha Zhenxing folgte als letzter. Um sie herum schnatterten zahlreiche Touristen und knipsten alles, was nach Steinsäulen aussah. Und das war die Attraktion … ein unübersehbares Gewirr von glatten, von Wind und Sonne geschliffenen, kahlen bizarren Urgesteinsäulen, ein Wald aus grauen Felsen, der höchste 40 Meter hoch. Schmale Wege schlängelten sich durch Schluchten, in Stein gehauene Treppen erschlossen immer neue Eindrücke, und die Menschen in diesem Steinwald kamen sich wie verloren vor, erdrückt von der gewaltigen und formenreichen Schönheit der Felsen und der in der Sonne glänzenden Steinsäulen.
    Ab und zu blieb Kewei stehen, um Besuchergruppen vorbeizulassen. »Viele dieser Gebilde haben einen Namen«, sagte er und zeigte Evans eine Doppelsäule, die nach oben hin wieder zusammengewachsen war. »Das da ist ›Zwei Vögel, die sich küssen‹. Und dort, ja, das links neben dem runden Felsen, heißt ›Der Phönix kämmt seine Flügel‹.«
    »Ich sehe auf einem Felsen eine Art Tempel. Ist das das Restaurant?« fragte Evans.
    »Da kommen wir nachher hin.« Kewei ging weiter durch das Labyrinth der Steinsäulen und achtete darauf, nicht mit anderen Gruppen zusammenzukommen. Ohne daß Evans es bemerkte, wich er von den allgemeinen Touristenpfaden ab, zwängte sich durch enge Durchgänge und erklärte weiter die bizarren Felsgebilde.
    »Hier sehen Sie das Nashorn«, sagte er. »Und dort leuchtet die Lotosblüte. Und blicken Sie nach links … da sind Mutter und Sohn …«
    Evans schaute, fotografierte und strengte sich an, die Gebilde mit den Namen zu identifizieren. »Nashorn«, sagte er. »Mutter und Sohn – da muß man verdammt viel Phantasie haben, so eine Säule danach zu benennen.«
    »Wir haben viel Phantasie, Sir!« sagte Sha Zhenxing hinter ihm. »Wir kleiden die Welt in Poesie.«
    »Das haben Sie gut und treffend gesagt.« Evans wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht. An einem Rinnsal tauchte er das Tuch in das kalte Wasser und kühlte seinen Nacken und seine Stirn. »Dieser Steinwald ist wirklich sehenswert. Aber jetzt möchte ich ein Bier. Dann können wir weiter wandern …«
    »Wie Sie wünschen, Sir.« Kewei ging wieder voraus. Sie waren jetzt ganz allein, denn sie hatten den Teil des Steinwalds betreten, der für die Touristen gesperrt war. Nur etwa ein Drittel des Naturwunders war der Allgemeinheit zugänglich.
    Nur selten kam ein Geologe oder ab und zu ein Gärtner in dieses gesperrte Gebiet. Wer sich hier verlief, wurde nie gefunden und suchte vergeblich nach einem Ausgang aus dem Irrgarten der Steinsäulen.
    Kewei, Evans und Sha zwängten sich durch enge Felsspalten, manche so schmal, daß der etwas füllige Evans sich quer hindurchquetschen mußte. Er sah nicht, daß sie sich immer mehr von dem Aussichtstempel und dem freigegebenen Teil entfernten und in ein Gebiet kamen, das noch kein Tourist betreten hatte. Als sie auf einen kleinen Platz kamen, eingerahmt von in Jahrtausenden glattgeschliffenen Felsen, blieb Kewei stehen. Sha, immer im Rücken von Evans, steckte die Hände in die Hosentaschen. Jetzt merkte auch Evans, daß sie vom normalen Weg abgekommen waren. Er sah sich im Kreis um und wischte sich wieder den Schweiß aus den Augen.
    »Haben wir uns verlaufen?« fragte er.
    »Nein.« Keweis Stimme klang wie ein Peitschenschlag. Evans sah ihn verblüfft an. Was ist los? dachte er. Natürlich haben wir uns verlaufen. Er will es nur nicht zugeben.
    »Wir sind vom Weg abgekommen …«, sagte er, fast tröstend.
    »Ja.« Wieder ein Peitschenschlag.
    »Macht nichts … kehren wir um!«
    »Nein!«
    »Nicht? Wieso denn?« Evans sah sich wieder um. Sha war drei Schritte zurückgetreten und grinste ihn an. »Sie kennen doch Ihren Steinwald …«
    »Wie ein Mann seine Geliebte … es bleiben immer Geheimnisse.« Keweis Poesie verwirrte Evans jetzt.
    »Heißt das: Sie wissen keinen Weg aus dem Steinlabyrinth? Herr Kewei, ich komme um vor Durst und Hunger …«
    »Das wäre ein falscher Tod, Mr. Evans.« Das ›Sir‹ fiel weg,
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