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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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1
    Languedoc, um die Mitte des 13. Jahrhunderts
    Ich bin ein Verräter, und ich habe Angst. Ich habe Angst vor Gott, da ich in seinem Namen grässliche Dinge getan habe.
    Aber nein, nicht Ihm werde ich die Schuld an meinem Elend geben, denn Er hat damit nichts zu tun. Es ist meine eigene Schuld und die meiner Herrin. In Wahrheit liegt diese Schuld ausschließlich bei ihr, und nur bei ihr, denn stets ist sie uns allen gegenüber so aufgetreten, als wäre sie allmächtig. Niemand hat ihr je zu widersprechen gewagt, nicht einmal ihr Gemahl, mein guter Herr.
    Ich werde sterben, ich spüre es in meinen Eingeweiden. Ich weiß, dass meine Stunde gekommen ist, auch wenn mir der Arzt versichert, dass mein Leiden nicht tödlich sei und ich noch lange leben werde. Doch sieht er mir nur prüfend in die Augen, achtet auf die Farbe meiner Zunge und lässt mich zur Ader, um die üblen Säfte aus meinem Körper abfließen zu lassen – den ständigen Schmerz in meinem Unterleib vermag er nicht zu lindern.
    Das Leiden, das mich verzehrt, hat seinen Sitz in meiner Seele. Weder weiß ich, wer ich bin, noch, welcher Gott der
wahre ist. Auch wenn ich beiden diene, so habe ich doch zugleich beide verraten. Ich schreibe lediglich, um die Bürde leichter zu machen, die auf meiner Seele lastet. Für den Fall, dass diese Aufzeichnungen in die Hände meiner Feinde oder auch die meiner Freunde gelangten, hätte ich mit diesen Worten mein Todesurteil unterschrieben.
    Mir ist kalt. Vielleicht liegt der Grund dafür, dass mir nicht warm wird, sosehr ich mich in meinen Umhang hülle, darin, dass meine Seele zu Eis erstarrt ist.
    Heute Morgen hat mich Bruder Péire, als er mir eine warme Brühe brachte, mit der Mitteilung aufzumuntern versucht, dass Weihnachten ist. Als er mir angekündigt hat, der Inquisitor, Bruder Ferrer, werde mich später aufsuchen, habe ich ihn gebeten, mich bei ihm zu entschuldigen. Bruder Ferrers Augen verursachen mir Schwindel, und seine gemessene Stimme ruft Entsetzen in mir wach. In meinen Alpträumen schickt er mich in die Hölle, und sogar dort noch friere ich. Aber ich schweife ab. Wer möchte wissen, ob ich friere?
    Keiner meiner Mitmönche wird Verdacht schöpfen, wenn er mich schreiben sieht, denn das ist mein Amt. Ich bin Schreiber der Inquisition. Auch die anderen Brüder argwöhnen nichts. Sie wissen, dass mich meine Herrin aufgefordert hat, eine Chronik dessen zu verfassen, was sich zur Zeit in diesem Winkel der Welt zuträgt. Sie will, dass die Menschen eines Tages von der Niedertracht jener erfahren, die sich als Stellvertreter Gottes gebärden.
    Immer wenn ich den Blick zum Himmel hebe, taucht der Berg mit der Burg Montségur aus dem Dunst auf, und ich sehe seinen verschwommenen Umriss mit Beklemmung.
    Ich stelle mir vor, wie meine Herrin dort oben auf und ab geht und dabei in alle Richtungen Anweisungen erteilt. Denn
wie vollendet Doña María auch sein mag, sie ist nun einmal von gebieterischem Wesen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, in was für Schwierigkeiten sie uns gebracht hätte, wenn sie ein Mann wäre. Von Zeit zu Zeit dringt die volltönende Stimme des königlichen Seneschalls Hugues des Arcis bis in mein Zelt. Er scheint nicht besonders guter Laune zu sein, aber wer ist das heute Morgen schon? Es ist kalt, und nicht nur auf den Bergen liegt Schnee, sondern auch in der Ebene. Alle sind müde. Immerhin sind die Männer seit Mai hier und fürchten, dass Péire Rotger de Mirepoix der Belagerung noch viele Monate standhalten wird. Er kann sich auf die Unterstützung der Bewohner seiner Stadt verlassen, die vor der Nase des Seneschalls mit Proviantlieferungen und Mitteilungen von Verwandten und Freunden zur belagerten Festung emporsteigen.
    Gestern erreichte mich eine Mitteilung meiner Herrin Doña María. Sie will mich heute am späten Abend sehen. Vielleicht hängt meine Unruhe damit zusammen, dass ich mich dieser Aufforderung nicht entziehen kann.
    Ein Hirte aus der Umgebung, der Ziegenkäse ins Lager liefert, den auch der Seneschall zu schätzen weiß, hatte sich in mein Zelt geschlichen, um mir Doña Marías Mitteilung zu überbringen. Ich soll das Lager nach Einbruch der Nacht verlassen und mich zum Eingang des Tales begeben, von wo man mich zur Festung Montségur bringen wird. Gewiss würde mir Hugues des Arcis eine gute Belohnung dafür anbieten, dass ich ihm die geheimen Pfade verrate, die dorthin führen – vielleicht aber auch würde er mich hinrichten lassen, weil ich ihn nicht längst
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