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Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend
Autoren: Alfred Komarek
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Eiswein
     
    Polt fror, hatte Kopfweh und war guter Dinge. Sein Alltag war weit weg. Gendarmerie-Inspektor? Schon gut, irgendwann vielleicht wieder. In dieser mondhellen Winternacht tat er im Weingarten des Karl Fürnkranz seine Arbeit. Er dachte an den vergangenen Abend und bereute es keineswegs, mit Karin Walter eine Flasche Sekt geleert zu haben, weil ihm irgendwie feierlich zumute gewesen war. Trotz dicker Handschuhe spürte Polt das kalte Metall der Rebschere. Ein leises Schnappen war zu hören, wenn er die Trauben vom Stock trennte, hart wie Kieselsteine fielen die gefrorenen Beeren in die hölzerne Butte, die auf einem dreibeinigen Gestell stand, damit man sie leichter auf den Rücken nehmen konnte.
    »So eine Lese ist was Besonderes«, hatte der Fürnkranz gesagt, »da will ich kein Plastik sehen.«
    Gegen vier Uhr früh waren sie ans Werk gegangen: Karl Fürnkranz, Simon Polt, Sepp Räuschl und Friedrich Kurzbacher. Die Männer bewegten sich langsam und konzentriert, ohne viel zu reden. War die Butte gefüllt, trug sie Polt als Jüngster in der Runde zu einem Traktoranhänger, auf dem zwei Holzbottiche standen. Nach knappen zwei Stunden war einer davon randvoll. Simon Polt stellte seine Last ab und schaute sich um: Ein verschneiter Weingarten, in dem nachts gearbeitet wurde - die Szene hatte etwas Verschwörerisches. Drei Weinbauern standen ein paar Schritte voneinander entfernt. Sie waren unterschiedlich groß, aber durch zahlreiche Schichten wärmender Kleidung annähernd gleich dick. Der Schnee zu ihren Füßen glitzerte, und der Mond über ihren Köpfen ließ das Licht der Sterne fast verschwinden.
    Die Riede Sommerleiten bedeckte den Westhang eines kleinen, einschichtig gelegenen Tales dicht an der Grenze zu Tschechien. An ihrem oberen Ende stand eine Weingartenhütte, die dem Karl Fürnkranz gehörte. Tieferwärts, nach Süden zu, begleiteten die Rebenhügel das breite Wiesbachtal. Dort leuchteten die Straßenlampen der langgestreckten Dörfer, und an den Hängen waren die Lichterketten der Kellergassen zu sehen.
    Polt gähnte. Er war lange bei Karin Walter geblieben. Von der Eisweinlese hatte er ihr nichts erzählt. Sie sollte glauben, daß er noch genug Schlaf bekommen konnte, in dieser Nacht.
    »Aufwachen, Simon!« Friedrich Kurzbachers Stimme war heiser. Er hatte gerade eine arge Verkühlung hinter sich gebracht. »Schlafen kannst nachher, im Dienst!«
    »Das denkst du dir so.« Polt nahm die Butte wieder auf den Rücken und ging zu den anderen.
    »12 Grad minus, so ist es recht!« hatte der Fürnkranz befriedigt festgestellt, als er und seine Helfer nachts mit der Arbeit begannen.
    Seitdem zog sich ein schwerfälliges Ritual Stunde um Stunde hin. Die Weinbauern nahmen die Mühe mit selbstverständlicher Gelassenheit auf sich, und Polt bewunderte ihre zähe Ausdauer. Müde griff er wieder zur Rebschere und fragte sich, ob es denn wirklich eine gute Idee gewesen war, seine Hilfe anzubieten. Doch, ja, gab er sich stumm zur Antwort, eine sehr gute Idee sogar. Die vier hier im Weingarten taten etwas Besonderes, und es würde zu einem außergewöhnlichen Ergebnis führen.
    Den anderen im Tal fiel nichts Besseres ein, als zu schlafen. Polt lachte.
    »Spinnst?« Friedrich Kurzbacher warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, erwartete aber keine Antwort.
    Gegen acht Uhr früh war die Arbeit beendet.
    »Paßt.« Karl Fürnkranz schaute zum anderen Talhang hinüber. Der Himmel war heller geworden, und die niedrigste Hügelkuppe hatte einen schmalen leuchtenden Rand. »Bis die Sonne da ist, sind wir im Preßhaus. Los, aufsteigen!«
    Fürnkranz startete den Traktor, die anderen setzten sich auf die Ladewände des Anhängers und hielten sich an den Bottichen fest.
    Der schmale, leicht abschüssige Güterweg war eisglatt. Trotz der langsamen Fahrt war die Kälte jetzt noch mehr zu spüren. Die Männer schauten grimmig drein und schwiegen, bis ihr Ziel erreicht war.
    Das Preßhaus war eines der größten in der Gegend und stand abseits der Burgheimer Kellergasse ganz für sich zwischen den Weingärten und den Äckern am Talgrund. Es war wohl auch älter als die anderen Gebäude, vielleicht Herrschaftsbesitz gewesen, dereinst. Jedenfalls waren sieben Generationen der Familie Fürnkranz als Eigentümer ausgewiesen.
    Der Traktor kam hinter dem Preßhaus zu stehen. Etwa einen Meter unter der Dachtraufe klaffte eine annähernd quadratische Öffnung in der weißgekalkten Mauer, das Gaitsloch.
    »Ich hab die Rutsche in
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