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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der jetzt schon schwitzte.
    »Für Kunming ist es ein normaler Tag. Ja, ein wenig kühl …«
    »Soll das ein chinesischer Witz sein?« Evans holte tief Luft. »Ist das der Wagen?«
    »Ja, Sir.«
    In der Auffahrt des Hotels wartete ein Toyota-Geländewagen. Der Fahrer lehnte an der offenen Tür, kaute Sonnenblumenkerne und spuckte die Schalen auf die Straße. Keiner nahm daran Anstoß. Auch die Boys an den Glastüren nahmen keine Notiz davon, daß der Eingang des Hotels bespuckt wurde.
    Als Shen Geping und Evans das Hotel verließen, stellte der Fahrer sein Kauen von Sonnenblumenkernen ein. Ein letztesmal hustete er einen Batzen Schleim hoch und spuckte ihn auf den Rasen neben sich. Auch dies schien niemanden sonderlich aufzuregen, und Evans erinnerte sich daran, einmal gelesen zu haben, daß normalerweise überall in China Spucknäpfe herumstünden. Ihm war aufgefallen, daß das neue China diese alte Tradition wohl auch abgeschafft hatte. Die auf Steinsäulen überall herumstehenden bunt bemalten Gefäße erfüllten, wenn es denn so gewesen war, diesen Zweck schon lange nicht mehr. Sie quollen inzwischen über von leeren Coladosen, Zigarettenschachteln und anderem Müll. Doch das hinderte niemanden daran, den Müll einfach daneben zu werfen; die Straßenarbeiter würden ihn schon irgendwann mit ihren Blechkarren abholen.
    Evans trat an den Wagen heran.
    Shen Geping wartete, bis Evans in den Toyota gestiegen war, und setzte sich dann neben den Fahrer. Er brauchte nicht anzugeben, wohin er fahren sollte; es war immer die gleiche Tour, hundertmal erprobt: Jing Dian, der Goldene Tempel, Dong Wu Yuan, der Zoo, Da Guan Lou, der See-Park, und als Krönung des Tages Xi shan, der Westberg, und Long Men, das Naturwunder des Drachentores.
    Als Shen Geping Evans am Abend ins Hotel brachte, war dieser sehr müde. Shen verabschiedete sich mit einer höflichen Verbeugung. »Morgen um neun Uhr«, sagte er dabei. »Sie werden vom Steinwald begeistert sein, Sir. Er ist einmalig auf der Welt.«
    »Das habe ich gehört.« Evans hatte es eilig, in die Bar zu kommen und ein Bier zu trinken. Sein Hals war trocken. »Bis morgen …«
    »Bis morgen, Sir.«
    Evans trank drei Bier. Das Gebräu schmeckte etwas süßlich, nicht so herb und säuerlich wie das Porterbier in England, denn das chinesische Bier wird nicht aus Hopfen gebraut, sondern aus Reis oder Mais. Aber es löschte seinen Durst und spülte den Staub weg, den er während des Ausflugs hatte schlucken müssen.
    Die Nacht verbrachte er in bleiernem Schlaf. Als ihn der telefonische Weckdienst aufscheuchte, brauchte er einige Zeit, um sich zurechtzufinden. Ach ja … Kunming. Ich bin ja in Kunming. Gleich geht es los in den sagenhaften Steinwald.
    Evans war gerade mit seiner Morgentoilette fertig geworden, als das Telefon klingelte. Die Rezeption.
    »Sie werden erwartet, Sir«, sagte eine helle Männerstimme.
    »Jetzt schon?« Evans blickte auf seine Armbanduhr. »Ich habe doch noch fast eine Stunde Zeit.«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe nur den Auftrag, Sie zu unterrichten, daß Sie in der Halle erwartet werden.«
    Klick. Der Mann an der Rezeption hatte aufgelegt. Evans zog eine leichte, weiße Leinenjacke an. Ein Blick aus dem Fenster ließ ahnen, daß es wieder ein sehr warmer Tag werden würde. Shen Geping muß warten, dachte er. Erst wird gefrühstückt! Ein gutes Frühstück lasse ich mir nicht nehmen.
    Mit dem Lift fuhr Evans hinunter in die Hotelhalle. Er wollte abschwenken zum Frühstücksraum, als ihm zwei Herren, korrekt in graue Anzüge, Hemd und Krawatte gekleidet, entgegen kamen. Sie machten einen unauffälligen, aber eleganten Eindruck.
    »Mr. Evans?« fragte der Ältere von ihnen mit ehrfurchtsvoller Höflichkeit.
    »Ja.« Evans sah sich um. »Ich dachte, Herr Shen Geping holt mich ab. Wir wollten zum Steinwald.«
    »Daran hat sich nichts geändert. Es ist uns eine große Ehre, Sie in den Steinwald zu führen.«
    »Sie kommen vom Reisebüro CITS?«
    »Ja.« Der Ältere räusperte sich. Der andere Chinese, etwas kleiner, grinste verhalten.
    »Ich war mit Herrn Shen um neun Uhr verabredet.« Evans blickte diesmal provozierend auf seine Armbanduhr. »Jetzt ist es erst kurz nach acht.«
    »Ich dachte, damit wir uns nicht abhetzen müssen.« Der elegante Chinese nahm seine dunkle Sonnenbrille ab. Er hatte tiefbraune, kalte Augen und einen Blick, der Evans irgendwie unsympathisch war. »Mein Name ist Kewei Tuo.« Er zeigte auf den Kleineren. »Und das ist Sha Zhenxing …
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