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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich freut, die Schönheiten Kunmings zu besichtigen. Was kann es sein, das Evans mit dem gefürchteten Ding Zhitong zusammenführte?
    Shen Geping trat mit höflichem Lächeln zu Evans. »Mr. Evans?« fragte er.
    »Ja, das bin ich.« Evans' Miene hellte sich auf. »Sie kommen von CITS? Am Flughafen hat mich aber jemand anders abgeholt.«
    »Wir haben eine große Englisch sprechende Abteilung, Sir. Ich bin Ihnen für die gesamte Reise durch Yunnan zugeteilt worden. Mein Name ist Shen Geping. Heute sehen wir uns Kunming an, morgen fahren wir nach Shi Lin, dem Steinwald.«
    »Darauf freue ich mich besonders«, sagte Evans fröhlich, und seine innere Anspannung ließ deutlich nach.
    »Morgen stelle ich Ihnen das Programm vor, das unser Büro speziell für Sie ausgearbeitet hat. Als Gast des Außenhandelsministeriums«, Shen machte eine ehrfurchtsvolle Pause, »ist es uns eine Ehre, Sie betreuen zu dürfen. Vor dem Hotel wartet ein Wagen.«
    »Oh, ich bin gut zu Fuß!« sagte Evans und lächelte. »Ich bin schon durch den Dschungel von Borneo gewandert.«
    »Das ist etwas anderes, Sir. Kunming ist eine große Stadt, und die Sehenswürdigkeiten liegen weit auseinander.«
    »Aber ich möchte einmal über den Vogelmarkt gehen. Und den Fleischmarkt möchte ich auch besuchen. Ich will sehen, ob dort tatsächlich geschlachtete Hunde verkauft werden.«
    »In Kunming findet man die nur selten.«
    »Es ist also nicht nur ein Gerücht?« fragte Evans naiv. Er hatte in Illustrierten Bilder von an Haken hängenden Hunden gesehen und war entsetzt gewesen.
    Daraus war eine heftige Diskussion entstanden. Er hatte damals zu Ethel, seiner Frau, gesagt: »Sieh dir das an! Ein so altes Kulturvolk … und ißt Hunde.« Und Ethel antwortete – wie immer in etwas belehrendem Tonfall, schließlich hatte sie Pädagogik studiert: »Wir essen Kälber, Schafe, Rinder, Schweine, Ziegen, Hasen, Kaninchen, Gänse, Hühner und so weiter … wo ist da der Unterschied? Warum nicht Hund?«
    »Der Hund ist der treueste Freund des Menschen. Ich fresse doch keinen Freund auf.«
    »Ein Kaninchen kann auch ein Freund sein, und trotzdem töten wir es.«
    An dieses Gespräch dachte Evans jetzt, als Shen ihm bestätigte, daß Hund zu den Delikatessen der chinesischen Küche gehörte.
    »Hund schmeckt gut«, sagte Shen ungerührt. »Aber wir in Yunnan haben andere Vorlieben. Sie werden es sehen, wenn wir am Abend über den Markt gehen. Eine Spezialität sind Schweinefüßchen, und wer einen Gast ehren und verwöhnen will, der kocht oder brät Fischköpfe. Und dann haben wir noch die ›tausendjährigen Eier‹ …«
    »Aufhören!« rief Evans mit gespieltem Entsetzen. »Mir wird übel! Essen Sie auch so was?«
    »Ich habe nur wenig Gelegenheit, mir Fischköpfe zu leisten. Sie sind sehr teuer.«
    »Bei uns werden sie weggeworfen.«
    »Ich weiß es.« Shen lächelte wie verzeihend. »Bei uns heißt es: Wer einen Kopf ißt, der wird die Klugheit des Kopfes bekommen. Und wer an seiner Leber leidet, soll die Leber eines Tigers essen. Oder das Herz des Tigers, um so mutig zu werden wie er.«
    »Jetzt ist mir klar, warum es in China kaum noch Tiger gibt. Mr. Sheng … ihr Chinesen seid doch moderne, aufgeklärte Menschen!«
    »Es gibt Traditionen, die man nicht ablegen sollte, oder die Seele wird krank.«
    »Wir werden euch nie verstehen!« sagte Evans und schüttelte den Kopf. »Ihr zeigt der staunenden Welt ein rasantes Wirtschaftswachstum … und eßt Fischköpfe und Hunde. Mr. Shen, ich bin gespannt, welche Überraschungen China noch für mich bereithält …«
    »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Sir.« Shen Geping zeigte wieder sein höfliches Lächeln. »Wenn Sie wieder in England sind, werden Sie viel Interessantes erzählen können. Vielleicht –« sein Lächeln verstärkte sich – »werden Sie dann einiges Ihnen jetzt noch Fremde verstehen können.«
    »Vielleicht … aber es wird für uns immer eine andere Welt bleiben.«
    »Natürlich«, sagte Shen und dachte daran, daß es ja auch ein Unglück wäre, wenn China sein Gesicht verlieren und dem Westen immer ähnlicher würde.
    Sie verließen das Hotel ›Goldener Drache‹. Zwei Pagen in roter Uniform rissen die breite Glastür auf und verbeugten sich. Evans trat hinaus in die Wärme. Sie war doppelt spürbar, denn die Klimaanlagen des Hotels arbeiteten vorzüglich. Wer aus der Kühle der Halle in die Sonne trat, dem schlug die Hitze wie ein Gluthauch entgegen.
    »Verdammt warm ist es hier!« sagte Evans,
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