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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
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Militärsiedlung, die sich an das Gelände der früheren Fritz-Erler-Kaserne am Rand von Fuldatal-Rothwesten anschloss. Der Fahrer war ein Riese und wirkte extrem kräftig in seiner Lederkluft. Unter seinem Helm kam ein langer grauer Zopf hervor. Wie aufmerksam er sich umsah, war durch das runtergeklappte Visier nicht zu erkennen. Ebenfalls nicht zu erkennen waren die .44er Magnum und die .38er Sig-Sauer in seiner Jacke und die Uzi-Maschinenpistole in dem Kasten unter dem Sitz. Er hieß Erich Geschorrek und war eigentlich ein netter Typ, wenn er nicht gerade beschlossen hatte, furchteinflößend zu sein.
    Nach den wie uniformiert wirkenden Doppelhaushälften, in denen früher die Offiziere gewohnt hatten, kamen drei lang gezogene Mietskasernen mit je drei Eingängen. Sie waren in den ersten Nachkriegsjahren, als die Kaserne als » US   Army Barracks« firmierte, für die Familien der amerikanischen Unteroffiziere gebaut worden. Nur eine war noch bewohnt, der Landkreis Kassel brachte hier Asylbewerber unter. Die anderen standen leer, im Erdgeschoss und im Treppenhaus war alles mit Spanplatten vernagelt, in den oberen Stockwerken waren die meisten Fensterscheiben kaputt. Erich rollte zwischen diesen Ruinen durch und bemerkte, dass der erste Eingang der linken einen Spalt offen stand. Von der zur Kaserne führenden Straße war die Siedlung durch einen Zaun getrennt, in dem ein Tor war. Dahinter war eine Bushaltestelle samt Wendeschleife. Erich rollte hindurch und bezog auf der anderen Seite mit laufendem Motor Stellung, verborgen hinter ein paar Glascontainern, hatte aber den Eingang im Blick.
    Ein wie ein Jogger gekleideter, etwas dicklicher Fußgänger mit Brille und schütterem Haar kam den Weg vom Gut Eichenberg hoch, dem nordhessischen Leistungszentrum für den Reitsport, überquerte die Straße, nickte Erich zu, schlüpfte durch das Tor und ging den Weg entlang. Untypischerweise hatten diese alten Mietskasernen die Balkons nach vorn. Er ging zu der nur angelehnten Eingangstür, wo er kleine technische Geräte aus den zahlreichen Taschen seiner Goretex-Jacke holte. Er war in manchen Kreisen als »Ollie der Techniker« bekannt. Auch er war bewaffnet, allerdings nur mit einer kleinen .22er Beretta. Er kletterte auf einen Balkon im Erdgeschoss und befestigte einen Sprengsatz an der mit einer Spanplatte vernagelten Balkontür.
    Als Nächstes fuhr ein erdfarbener Jeep Cherokee durch die Siedlung, rangierte rückwärts vor die andere Mietskaserne, sodass die beiden Fahrer den angelehnten Eingang und Ollie auf dem Balkon im Blick hatten. Jörg und Dirk Metzger waren zwei Jahre auseinander, wirkten aber fast wie Zwillinge, große, durchtrainierte Typen, die als Boxer und Sportsoldaten ihre zwölf Jahre abgerissen hatten. Jeder von ihnen hatte ein altes G3-Schnellfeuergewehr dabei, die Waffe, an der sie ausgebildet worden waren.
    Sonst war an diesem sonnigen, aber windigen Novembertag hier oben kein Mensch zu sehen.
    Ein Stück die Straße runter, die an dem Zaun vorbei hinab ins Fuldatal führte, parkte ein weißer Mercedes Sprinter am Straßenrand, in dem Ingrid Metzger, die Mutter von Jörg und Dirk, am Steuer sowie Ollies Frau Anja neben ihr saßen, eine   OP -Schwester im Klinikum Kassel, wo sie sich leihweise mit allerhand medizinischem Material eingedeckt hatte, das hinten im Laderaum war – für den Fall, dass jemand verletzt werden sollte. Sie hätten einen phantastischen Blick über das weite Kasseler Becken genießen können, bis hin zum Herkules, der schemenhaft am Horizont zu erkennen war; aber dazu waren beide Frauen zu nervös.
    Schließlich glitt ein nachtblauer Bentley Continental Coupé fast geräuschlos durch die Siedlung, parkte vor der angelehnten Eingangstür, und ein nicht besonders großer Mann stieg aus, der Marcus Aurelius von Loquai hieß und in manchen Kreisen als »Prinz der Planer« bekannt war. Er hatte früher geniale Einbrüche und Diebstähle ausgeheckt. Nachdem er vor knapp zwei Jahren vom Mord an seinem Vater, einem General, freigesprochen worden war, hatte er nicht nur ein Gut, sondern auch ein Vermögen geerbt und beschlossen, die kriminelle Karriere, die er sowieso nie nötig gehabt hatte, aufzugeben und stattdessen zusammen mit alten Freunden Kapitalverbrechen aufzuklären, vorzugsweise solche, für die Unschuldige saßen. Das war vor anderthalb Jahren einmal spektakulär gelungen. Kurzzeitig war Prinz eine Berühmtheit; im Frühjahr war sogar ein Buch über die Sache
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