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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
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beratschlagte sie mit Marie, der zweiten, was zu tun sei. Nur die beiden Ältesten wussten, mit wem ihre Mutter sich getroffen hatte, denn sie kannten ihn von früher, wenn auch nur als »den Ewald aus Kassel«.
    Vor der Geburt der Brüder hatte der sie damals oft besucht, sogar übernachtet. Und nun hatte die Mama ihnen verschwörerisch offenbart, dass sie sich die ganzen Jahre über immer wieder heimlich mit diesem Ewald getroffen hatte. Aber die beiden Brüder, die sehr an ihrem Vater hingen, sollten besser nicht mitkriegen, wenn Mama mit einem fremden Mann womöglich nach einer rauschenden Liebesnacht in einem Hotelzimmer noch schlief.
    Es war dann Marie, die vorschlug, in der Laube nachzusehen, weil Mama da immer hinging, wenn sie mal allein sein wollte. Bei vier Kindern herrschte im Haus ständig Trubel. Die beiden jungen Frauen schlüpften in dicke Wintersachen und aus dem Haus und stapften zu Fuß durch den bereits wieder tauenden Schnee zu einem der wenigen Schrebergärten an der Bahnlinie. Nach wenigen Minuten waren sie da. Sophie öffnete die Tür und begann sofort zu schreien, war aber geistesgegenwärtig genug, Marie vom Betreten der Laube abzuhalten.
    »Sieht für mich nach einer klassischen Beziehungstat aus«, sagte Kriminalhauptkommissar Tobias Buggert, seit einem Skandal vor anderthalb Jahren, in den sein Vorgänger verwickelt war, Leiter des Kriminalkommissariats 11 beim Polizeipräsidium Nordhessen in Kassel, zuständig für Gewalt-, Brand- und Waffendelikte. Er war gerade vierzig geworden und wirkte als sportlicher Blondschopf in fahrlässig lässigen Klamotten wie dreißig. »Was meinen Sie?«
    »Das müssen mindestens dreißig Einstiche sein«, stimmte Kriminaloberkommissar Torsten Bock zu, der nächstes Jahr fünfzig werden würde, als gemütlicher Dicker mit Beamtenschnäuzer in überkorrekter Kleidung wie sechzig wirkte und fand, dass eigentlich er Chef hätte werden sollen. Bock war der Einzige von seinen Leuten, den Buggert noch nicht duzte. »Vielleicht sogar vierzig. Da ist einer komplett ausgerastet.«
    Die beiden Kommissare trugen weiße Schutzanzüge, von den über die Köpfe gezogenen Hauben bis zu den Plastiküberschuhen, den Plastikhandschuhen und dem Mundschutz, um auch nicht die kleinste Spur zu zerstören, die später im Labor vielleicht noch gefunden werden konnte, obwohl die Kriminaltechniker bereits mit einem ersten Durchgang fertig waren. Die nackte, blutüberströmte Leiche war, außer vom Notarzt, der den Tod feststellte, noch nicht angerührt worden.
    »Und die Tatwaffe ist dieses lange Küchenmesser da?«
    Es lag in einer Plastiktüte dort, wo man es gefunden hatte, auf einem altmodischen Küchenschrank mit einer offenen Schublade. Daneben stand eine Spurentafel mit einer Zahl; weitere solche Spurentafeln fanden sich sowohl drinnen wie draußen. Das Messer war über und über mit Blut bedeckt, nur am Griff nicht, an dem schwarzes Fingerabdruckpulver klebte.
    »Reichlich Fingerabdrücke dran, offenbar nur von einer Person. Wenn es nicht ihre eigenen sind, haben wir eine klare Beweislage.«
    »Dann müssen wir nur noch den Täter ermitteln.«
    Buggert trat aus der Laube, klemmte sich den Mundschutz unters Kinn, atmete durch und sah sich um. Bock folgte. Neben der Tür war eine Lache Erbrochenes im Schneematsch, wo einer der vier Polizisten aus den beiden Streifenwagen der Polizeistation Melsungen, die als Erste am Tatort eintrafen, sich übergeben hatte. Der Schrebergarten war mit rot-weißem Polizeiband abgesperrt, Leute in Weiß suchten das Gelände ab, mehrere Polizei- und zivile Dienstwagen standen hintereinander auf dem schmalen, matschigen Weg zwischen der Bahnlinie und den Gärten, außerdem der Kastenwagen der Kriminaltechniker und ein Krankenwagen, aus dem eine Frau mit mattbraunem kurzem Haar von etwa dreißig Jahren stieg, die fast an Magersucht zu leiden schien, heillos unattraktiv, dafür aber einfühlsam und verblüffend intelligent war.
    Kriminalkommissarin Elke Schadow, die den Schutzanzug vor Betreten des Krankenwagens abgelegt hatte, trat zu ihren Kollegen.
    »Wir brauchen Psychologinnen«, sagte sie. »Vielleicht auch Psychologen.«
    »Mehr als einen?«, fragte Buggert.
    Schadow nickte, merklich erschüttert. Die beiden Männer musterten sie; dass jemand an einem Tatort seine Erschütterung zeigte, kam eigentlich nicht vor unter Profis.
    »Die beiden Töchter, die sie gefunden haben, sind da drin.« Sie deutete mit dem Kinn zu dem Krankenwagen. »Die
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