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Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Autoren: Peter F. Hamilton
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Kapitel eins
     
     
    Suzi schmiß die Frankenstein-Küchenschabe ins Klo und zog den Chromgriff halb durch, um kurz zu spülen.
    Sie konzentrierte sich auf das Neural-Icon, das von der Grenze ihres Bewußtseins herüberschimmerte, und ordnete die Gedanken zu einer klaren Anweisung: Aktiviere Sinnesschaltung und Steuerung, wies sie das Bioware-Prozessorimplantat an.
    Als sie die Augen schloß, verstärkte sich das geisterhafte Bild aus der Infrarotaufnahme der Schabe zu seiner maximalen Auflösung. Für einen Moment verlor Suzi die Orientierung, während sie das Bild interpretierte, das über das Glasfaserkabel in die Verbindung am Steißbeinganglion übermittelt wurde. Sie sah das nebelhafte Durcheinander einer Möbiusschen Topologie, schattiert in Rot, Rosa und Schwarz, eine Windung, durch die grüne Monde fielen. Die Küchenschabe klammerte sich an den Boden des Abflußrohrs, direkt in einem Tröpfchenregen aus dem Fallrohr der Toilette. Eine Richtungsgraphik erschien über dem Bild; sie ähnelte dem Kommandodisplay eines Flugzeugpiloten.
    Suzi lenkte die Schabe an der Wand des Abflußrohrs hinauf, bis sie aus dem Wasser heraus war, und wies sie an loszumarschieren. Die Schabe spulte hinter sich ein Glasfaserkabel ab, dünner als Spinnweben.
    Die Perspektive war heikel. Suzi gestattete sich die Illusion, durch eine barocke Unterweltkathedrale zu spazieren. Die mit sagenhaften abstrakten Glyphen kannelierten Wände verbreiteten den Glanz eines geschwärzten Spiegels. Die gekrümmte Decke war mit elliptischen Ebenholzlöchern durchsetzt, die phosphengrüne Tröpfchen ausspuckten. Ein schmaler Fluß schlängelte sich über den konkaven Boden und trug nicht identifizierbare Klumpen aus faseriger Materie mit sich. Suzi war auf einmal sehr froh darüber, daß Jools the Tool keine Geruchsempfänger eingebaut hatte, als er die Frankensteinschabe für sie zusammensetzte.
    Die druckempfindlichen Zellgruppen spürten den Ansturm eines Luftschwalls und warnten sie damit vor der heranbrausenden Flut. Sie ließ die Schabe ganz an die Oberseite des Rohrs hinaufkrabbeln. Die Flut schoß unter ihr dahin. Ein Scheißhaufen von den Ausmaßen eines Frachtschiffes ritt auf der Wellenfront und zog Bänder aus Papier hinter sich her, die sich bereits auflösten.
    Suzi wartete, bis sich die Flut verlaufen hatte, und wies die Schabe an, wieder an der Rohrkrümmung herunterzukrabbeln und weiterzulaufen. In den Betonspalten blühten Pilze, eine Mondlandschaft aus Schleimmatratzen. Die Schabe kletterte über die Erhebungen, ohne dabei langsamer zu werden, während sie die ganze Zeit lang ihren Gazefaden spann.
    Weiter voraus, wo das Rohr zu einem schwarzen Punkt auslief, glaubte Suzi etwas zu sehen, was sich bewegte.
     
    In gewisser Weise betrachtete Suzi den Morrell-Auftrag als Wiedergutmachung dafür, wie sie die letzten zwölf Jahre gelebt hatte. Gewalt war nicht im Spiel, nicht mal ansatzweise. Die Gewalt war es gewesen, die sie nach der Entlassung aus dem Gefängnis ins Teksöldnerspiel gelockt hatte. Organisierte Gewalt, mit Bedacht und Präzision ausgeübt. Es war ihr Handwerk, alles, worauf sie sich verstand.
    In ihren Teenager- und frühen zwanziger Jahren hatte Suzi zu den Trinities gehört, einer SVP-feindlichen Gang, die ihre Aktionen aus der Siedlung Mucklands Wood in Peterborough heraus vorgetragen hatte, damals, als die Sozialistische Volkspartei SVP noch das Land beherrschte, in dem langen, düsteren Jahrzehnt einer fast maoistischen Diktatur, kurz nachdem der Treibhauseffekt voll aufgedreht hatte.
    Suzi trat den Trinities einen Tag bei, nachdem eine Gruppe SVP-Mitglieder über das Hotel der Eltern hergefallen waren, die Einrichtung herausgerissen und den ganzen Alkohol geklaut hatten. Auf Suzis Vater schlugen sie dabei mit der Pistole ein, so daß er rechtsseitig teilweise gelähmt blieb. Die Mutter wurde nacheinander von allen Angreifern vergewaltigt, ein Trauma, von dem sie sich nie wieder erholte. Suzis Eltern waren unschuldige Vorstadtmenschen gewesen, Mittelschichtangehörige mittleren Alters, wohlhabende Bürger, die einfach nicht glauben konnten, was mit ihrem grünen, schönen England geschah, die nicht wußten, wie sie es aufhalten sollten.
    Suzi war nur deshalb dabei gewesen, weil die SVP das Welbeck College geschlossen hatte, das Kadetten-Internat der britischen Armee. Eine militärische Karriere war alles, was sie sich je gewünscht hatte, soweit sie zurückdenken konnte – unterschwellig ermuntert durch
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