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Luises Schweigen

Luises Schweigen

Titel: Luises Schweigen
Autoren: Béla Bolten
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Luises Schweigen: Kriminalgeschichte
     
    Axel Daut schlug die Decke an den Füßen zurück. Er war es nicht mehr gewohnt, neben Luise zu schlafen, und ihr Körper verströmte eine betörende Hitze. Sie hatten sich nach dem verspäteten Weihnachtsabend zwei Mal geliebt. Erst wild und gierig, drei Stunden später zärtlich und genussvoll. Dazwischen hatten sie geredet, während Luise die Druckstellen an seinem Unterarmstumpf zärtlich mit Penatencreme massierte.
    Daut war froh, dass sich die alte Vertrautheit so schnell eingestellt hatte, auch wenn hauptsächlich er sprach und Luise schwieg.
    Er hörte auf das gleichmäßige Atmen seiner Frau, das tiefen, entspannten Schlaf signalisierte. Leise stand er auf und wickelte sich die karierte Wolldecke, die seine Mutter als wärmende Versicherung gegen die Winterkälte über das Fußende des Bettes gelegt hatte, um den Körper. Er stieg die Treppe hinunter in die gute Stube, setzte sich in Vaters Ohrensessel und entzündete eine Ernte 23. Während er Rauchringe in das dunkle Zimmer blies, erinnerte er sich schmunzelnd an die letzten Stunden. Sein Revierhauptmann hatte ihn, den zum Wachtmeister degradierten Kriminalkommissar, wie erwartet an den Weihnachtstagen zum Streifendienst eingeteilt, und Daut konnte erst gestern Morgen von Berlin ins Münsterland reisen.
    »Wir lassen uns Weihnachten doch nicht von diesem Herrn vermiesen«, hatte Luise energisch gesagt und darauf bestanden, den Heiligabend dieses Jahres 1942 am 27. Dezember nachzufeiern - mit Lichtern am Baum, Bescherung und Festtagsbraten. Er drückte die Zigarette im massiven Kristallaschenbecher aus, auf dessen Rand noch der Stumpen eines »Krummen Hundes« lag, den Vater vor dem Zubettgehen dort abgelegt hatte.
    Daut nahm den feinen Nappalederhandschuh in die Hand. Jedes Jahr schenkte ihm Luise ein edles Kleidungsstück für seine Handprothese. Wo hatte sie dieses elegante Stück bloß aufgetrieben? Er hatte Wochen damit zugebracht, die passenden Weihnachtsgeschenke zu beschaffen, zu kaufen gab es ja kaum noch etwas. Vor allem Walter war begeistert von dem uhrwerkgetriebenen Elastolinmodell eines Wehrmachtskübelwagens samt Besatzung, das sein Exkollege Rösen aus dubioser Quelle besorgt hatte. Die Freude seines Sohnes teilten die Frauen im Haus ganz und gar nicht. »Wir sollten froh sein, wenn er nie in einem solchen Auto sitzen muss«, hatte Dauts Mutter tadelnd gezischt, und Luise signalisierte mit schweigendem Nicken Zustimmung. Wenigstens waren die Puppen für die beiden Mädchen mit Beifall aufgenommen worden, und Luises Strahlen zeigte, wie sehr ihr der Pelzmuff gefiel, obwohl sie einwandte, so ein elegantes Kleidungsstück passe nicht zu einer Bäuerin.
    »Irgendwann führe ich dich damit in Berlin groß aus«, hatte Daut ihr zugeflüstert, und sie wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Ansonsten hatten sie kein Wort über Luises Verbannung aus der Reichshauptstadt und Dauts Degradierung zum Streifendienst verloren. Was gab es darüber auch zu reden? Sie hatte sich vor fast zwei Jahren mit Menschen angefreundet, die inzwischen allesamt wegen Hochverrats am Strang geendet waren, und er hatte sich der Versetzung zu einer Einsatzgruppe im Osten widersetzt. Dafür waren sie noch gut weggekommen.
    Luise schwieg auch über den Tod ihres Vaters. Ihre Mutter gab ihr die Schuld und hatte jeden Kontakt zu ihrer Tochter abgebrochen.
    Ein Geräusch von draußen holte Daut aus seinen Gedanken. Er stand auf und ging zum Fenster, wobei er fast über einen herunterhängenden Deckenzipfel gestolpert wäre. Daut glaubte, eine Bewegung an der Tür zum Schweinestall zu erkennen, aber es war stockfinster und die Stallgebäude fünfzig Meter entfernt, da konnten einen die Sinne leicht täuschen. Ihn fröstelte, er zog die Decke fester um sich und ging vom Fenster weg. Luises Körper würde ihn wärmen.
     
     
    »Du musst essen, Junge, du bist ja schon ganz abgemagert.«
    Dauts Mutter schob ihm den Korb mit frisch gebackenem Stuten zu, dessen Duft ihn früh aus dem Bett getrieben hatte. Dick mit Butter bestrichen und mit luftgetrocknetem Schinken belegt, war es ein Festtagsfrühstück.
    »Wo ist Luise?«, fragte er mit vollem Mund, was seine Mutter mit strengem Blick tadelte.
    »Im Stall, Schweine füttern.«
    Natürlich, dachte er. Auf einem Bauernhof blieb keine Zeit, am Morgen lange in der Küche zu sitzen. Selbst die beiden großen Kinder hatten ihre Aufgaben zu erledigen, Schulferien hin oder her. Nur
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