Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Autoren: Peter F. Hamilton
Vom Netzwerk:
Zeit sollte das Leid des Menschen heilen. Und es war soviel Zeit vergangen. Jahrhunderte!
    Das weiße Licht wurde heller und spaltete sich, um den Blick auf einen wolkenlosen Himmel freizugeben. Julia lag in einem ovalen Kokon, dessen Oberfläche an federndes Gummi erinnerte. Das Sonnenlicht wärmte ihre Haut, und eine schwere, sehr feuchte Luft wälzte sich heran. Sie hörte eindeutig, wie sich Wellen an einem Strand brachen. Sie setzte sich auf.
    Es war ein Strand, eine lange, geschwungene Bucht mit rötlichem Sand und klarem Wasser. Zur Linken sah sie in drei Kilometern Entfernung eine felsige Landspitze; auf der anderen Seite erstreckte sich eine dunkle Linie aus Klippen in die Ferne. Das Kliff hinter ihr war übersät von großen Felsbrocken, fest von schmalen Strebepfeilern aus sandiger Erde umschlossen, die der Wind herangeweht hatte. Zäh wirkendes Riedgras bemühte sich, oberhalb des Sandes Fuß zu fassen, und wuchs oberhalb des Kliffs zu einer dicken, drahtigen Matte. Dahinter lag ein Streifen dichter Vegetation. Die Bäume wirkten ungewöhnlich; jeder hatte fünf in regelmäßigen Abständen stehende schmale graue Stämme, die allmählich nach innen wuchsen und sich mit den Spitzen im Zentrum des Fünfecks trafen. Ein Wipfel aus moosigen Indigoblättern schäumte rings um ihren Treffpunkt hoch, und lange Bänder baumelten bis zum Boden herunter. Julia zitterte vor Begeisterung über die schiere Fremdartigkeit dieser Welt.
    Fünf Meter neben ihr stand ein weiterer Kokon. Sie wartete, während die Spitze sich aufspaltete. Dann setzte sich Royan auf.
    Sie umarmten sich auf dem Strand zwischen den beiden Kokons und verbrachten eine lange Zeit damit, sich nur gegenseitig anzusehen, wobei sie sich ständig an den Händen faßten und streichelten, um sich der Gegenwart des anderen zu versichern. Endlich hielt Julia seinen Blick fest und verzog das Gesicht. »Das war verdammt dumm! Hast du nie Krieg der Welten gelesen?«
    Er lächelte. »Aber letztlich hat es uns zusammengeführt, nicht wahr, Schneeglöckchen?«
    Sie stöhnte in gespielter Entrüstung und drückte ihn fester.
    Er reckte den Hals und blickte forschend zum Himmel hinauf.
    »Da.« Sie deutete auf eine Stelle über dem Dschungel. Ein heller Stern hing über den Baumwipfeln.
    »Wohin wird es sich jetzt wenden?«
    »Ich suche ihm eine Welt, die nur für ihn da ist; so lautete die Abmachung. Die SETI-Abteilung hat eine ganz schön umfangreiche Liste lokaler Sterne erstellt, die nachweislich Planetensysteme besitzen. Ich hatte die Datei aufgerufen, ehe wir New London verließen.«
    »Guter alter Rick.«
    »Ja.« Sie sah sich erneut am Stand um und rieb sich geistesabwesend die Arme. »Es wird nachts kalt werden.«
    »Die Nanoware stellt Kleider für dich her; sie macht alles, solange sie die richtigen Rohstoffe vorfindet, die sie verarbeiten kann.«
    Sie blickte zu den weißen Organismen hinunter. Beide hatten sich geschlossen und schrumpften jetzt leicht, wo sie keinen Körper mehr umfassen mußten. Wenn sich Julia konzentrierte, spürte sie in Gedanken ihre Gegenwart, ein gehorsames Tierbewußtsein, das auf Befehle wartete.
    »Ich frage mich, was aus mir … aus ihr danach geworden ist.«
    »Wir können immer zurückkehren und nachsehen.«
    »Nein«, sagte sie seufzend. »Es war nur ein Traum. Das hier ist jetzt unsere Welt.«
    Royan legte ihr einen Arm um die Taille. »Sollen wir uns mal umsehen?«
    Das Bild eines Planeten, vom Weltraum aus gesehen, erfüllte ihr Bewußtsein – fremde Kontinente, tiefe, mit langen Inselketten gesprenkelte Ozeane und große, blendend weiße Polkappen. Julia hatte die Aufnahmen vom Eiskontinent der Erde immer bestaunt und die Tatsache bedauert, daß sie ihn nie zu sehen bekommen würde.
    Diesen Planeten hier zu erforschen würde ein Leben in Anspruch nehmen. Sie beide würden es gemeinsam tun, allein und frei von allen Pflichten. So, wie es auf der Erde nie hätte sein können.
    »Klingt gut«, sagte sie.
    Sie machten sich über den Strand zur Landspitze auf. Nach einer Minute bewegten sich auch die Nanoware-Organismen und rutschten gehorsam hinter ihnen her.
     
    ENDE
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher