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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
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Frau war alleinerziehende Mutter. Sie hat auch noch zwei kleinere Söhne. Es gibt zwei Väter, die auch hier in Melsungen wohnen. Einer davon ist Ägypter und Moslem. Die beiden Brüder sind zu Hause und wissen noch von nichts.«
    »Ach du großer Gott«, stöhnte Buggert.
    »Außerdem ist Ellen Kaiser ausgerechnet die Schwester der Chefs von Kaiser Spezialarmaturen und Ventile.«
    »Uns bleibt auch nichts erspart«, brummte Bock.
    »Heißt?«, fragte Buggert, der von der Firma noch nie gehört hatte.
    »Der zweite Weltmarktführer hier nach Braun, dem Medizintechnikhersteller. Den kennen Sie doch, oder? B. Braun Melsungen?«
    Buggert starrte ihn nur an. In jedem deutschen Kaff gibt es solche Weltmarktführer. Bock räusperte sich und hob die Schultern, was womöglich als Entschuldigung gemeint war.
    »Jedenfalls hat die Familie Geld wie Heu.«
    Buggert wandte sich an die Kommissarin. »Was wissen die Töchter sonst noch?«
    »Mit wem ihre Mutter sich gestern Abend treffen wollte. Offenbar eine heimliche Liebe seit Jahrzehnten. Ein gewisser Ewald aus Kassel.«
    »Sonst nichts? Nur Ewald aus Kassel?«
    Schadow nickte wieder. »Kein Nachname, kein Beruf, und hier unten in Melsungen kann Kassel auch ein Dutzend Gemeinden bedeuten, die eigentlich eingemeindet gehören.« Sie seufzte. »Zwei Väter, einer davon Moslem, und eine heimliche Liebe. Jede Menge Konfliktpotenzial. Und reichlich Verdächtige.«
    »Ich kenne in Kassel nur einen einzigen Ewald«, warf Kriminaloberkommissar Bock ein.
    Buggert starrte ihn an und verdrehte die Augen. »Und das ist der Einzige, den wir ganz sicher ausschließen können.«

Kein Datum, kein Ort, keine Zeit
    Die Frau hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie war sicher, es war noch keinen Monat her, seit dieser Mann sie überwältigt, betäubt und dann hier eingesperrt hatte. Aber waren erst Tage vergangen? Oder eine Woche, zwei, drei?
    Meistens war es dunkel. Das Licht, oben in der etwa drei Meter hohen Wand eingelassen und für sie nicht erreichbar, ging nur selten an, fast immer nur für kurze Zeit. Dann konnte sie feststellen, dass sie sich in einem weiß verputzten fensterlosen Raum befand, mit grauem, leicht abfallendem Estrichboden und einer grauen Stahltür, der annähernd rund zu sein schien. Vielleicht zwölf, vielleicht fünfzehn Quadratmeter groß, wegen der runden Wände war das schwer zu schätzen. Die Einrichtung bestand aus einer Matratze, einer Nassecke dort, wo der Boden am tiefsten war, mit Toilette, Dusche und Waschbecken, und gegenüber kam eine Stahlstange aus der Wand, an der an Plastikkleiderbügeln ein paar Sachen und Handtücher hingen. Neben der Matratze konnte sie eine kleine Klappe öffnen, dahinter fanden sich Plastikteller, Plastikbecher und Plastikbesteck. Daneben befand sich eine Stahlplatte, die sie nicht öffnen konnte, die aber manchmal von selbst aufging, und sie fand etwas zu essen und zu trinken, selten neue Sachen darin vor.
    Und dann war da noch der Monitor, so weit oben in die Wand eingelassen, dass sie ihn ebenfalls nicht erreichen konnte.
    Ton kam aus ein paar Löchern rechts und links neben dem Monitor. Darüber sprach er manchmal mit ihr. Irgendwo musste es auch ein Mikrofon und mindestens eine drehbare Kamera geben, aber sie hatte beides noch nicht entdecken können. Jedenfalls antwortete er, wenn sie etwas sagte. Mit verzerrter Stimme.
    Die Frau hieß Miriam Bosch und war eine sechsundvierzigjährige Brünette, groß, etwas kräftig gebaut, aber durchaus nicht unattraktiv. Manchmal musste sie beinahe hysterisch lachen über die Ironie, dass ausgerechnet sie, eine Psychologin, Stationsleiterin in der Abteilung   III   des Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn, wo Straftäter behandelt wurden, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, einem Psychopathen in die Hände gefallen war. Jahrelang hatte sie Delinquenten mit schwer gestörtem Sexualverhalten, sogenannten Paraphilien, behandelt.
    Das einzig Positive daran war, dass sie hoffen konnte, mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung ihr Leben vielleicht so lange zu verlängern, bis er geschnappt und sie befreit wurde.
    Aber groß war die Hoffnung nicht.
    Denn das Schlimmste, das wirklich Allerschlimmste, jenseits jeder Vorstellungskraft, waren die Filme.

1.
    An einem Tag gegen Ende …
    … des trockensten und wärmsten Novembers seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, also etwa fünf Wochen vor der Ermordung von Ellen Kaiser, rollte ein Motorrad durch die ehemalige
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