Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
Vom Netzwerk:
erschienen.
    Prinz warf einen kurzen Blick zu dem Jeep, dann ließ er seine fast schwarzen Augen über die verkommene Fassade gleiten. Er war ziemlich dünn; unter der ganz normal aussehenden, aber schusssicheren Jacke, Erfindung einer Firma in Bogotá, Kolumbien, waren die unauffälligen, langen Muskeln eines Ausdauersportlers nicht zu erkennen. Sein Haar war so hellblond und außerdem so kurz geschoren, dass es fast wirkte, als wäre er kahl. Sein etwas grob geschnittenes Gesicht mit der großen gebrochenen Nase wirkte durch die vollen Lippen überraschend sinnlich. Auch Prinz war mit einer .22er Beretta bewaffnet, was selten vorkam. Er war ein schlechter Schütze, weil er fand, dass man einen Fehler gemacht hatte, wenn Schusswaffen zum Einsatz kamen. An seinem muskulösen Hals trat eine blaue pochende Ader hervor, wie immer vor einer Auseinandersetzung.
    Er wartete, bis Ollie ihm vom Balkon zunickte. Dann ging er zu der angelehnten Tür. Sein Gang wirkte beinahe tierhaft – diesen Eindruck verursachten etwas zu lange Arme und etwas zu kurze Beine. Nach einem letzten Blick zu Ollie und dem Jeep verschwand er im Haus. Ollie, Jörg und Dirk sowie Erich lauschten angestrengt. Alle fünf Männer wie auch die beiden Frauen in dem Sprinter hatten Minimikros am Kragen und Empfängerknöpfe im Ohr.
    Nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, stand Prinz in völliger Schwärze. Das Licht funktionierte natürlich nicht. Dann wurde die Tür einer Erdgeschosswohnung von innen geöffnet, und grelles Licht flutete ins Treppenhaus.
    »Schön, dass du gekommen bist, Prinz«, sagte der Mann in der Tür mit starkem russischem Akzent. »Komm ruhig rein.«
    »Was wartet da drinnen auf mich, Igor?«
    Der Mann namens Igor lachte, was eher wie ein hässliches Bellen klang. Er war einige Jahre jünger als Prinz, vielleicht Mitte dreißig, mindestens einen Kopf größer und dreißig Kilo schwerer, fast alles Muskeln. Er trug eine Art Jogginganzug, an dem Prinz keine verborgene Waffe erkennen konnte, und Hausschlappen. Hals und Hände waren über und über tätowiert, wie vermutlich auch der Rest des Körpers, nur das Gesicht nicht. Es war ein überaus verschlagenes, ziemlich brutales, aber auch recht intelligentes Gesicht, aus dem graue Augen Prinz freundlich und leicht belustigt anblickten.
    »Nur ich. Was dachtest du denn?«
    »Wo stecken deine Gorillas?« Prinz ging vorsichtig die wenigen Stufen hoch.
    »Im Dschungel, wo sie hingehören. Ich bin selber Gorilla genug, um auf mich aufzupassen.« Er trat zurück und machte eine einladende Bewegung. »Und, wie läuft dein neues Unternehmen?«
    »Lausig.« Prinz trat nicht ein, weil er Igor nicht im Rücken haben wollte. Da Igor sich nicht rührte, fuhr er fort: »Nach dem Medienrummel damals riefen jede Menge Anwälte von jeder Menge Knackis an. Aber es waren alles Nieten.«
    »Die Kerle waren doch schuldig«, nickte Igor und wiederholte die Bewegung.
    Prinz rührte sich nicht. Igor grinste plötzlich, kehrte ihm den Rücken zu und ging voran.
    Die Wohnungen hier waren völlig anders geschnitten als deutsche Drei-Zimmer-Wohnungen. Man betrat nicht einen Flur, sondern direkt ein geräumiges Wohnzimmer mit der Balkontür, hinter der Ollie hockte, bereit, sie jederzeit aufzusprengen, von dem eine Küche mit Durchreiche abging. Erst am Ende begann ein schmaler Flur, von dem weitere Zimmer abgingen. Offenbar amerikanischer Wohngeschmack um 1950.
    »Herein in die gute Stube.« Igor schloss die Tür, achtete aber jetzt darauf, nicht hinter Prinz zu gelangen. Wie bei vielen Deutschrussen war seine Ausdrucksweise mitunter etwas altmodisch, wenn er nicht Gangsterslang redete.
    Prinz sah sich um. Nicht viel Einrichtung. Als Erstes erblickte er eine Reihe von sechs Monitoren auf einem langen Tisch hinter einer Art Mischpult. Auf dreien davon waren Erich am Zaun, Ollie auf dem Balkon und der Jeep gegenüber zu sehen. Zwei weitere zeigten verschiedene Perspektiven der Straße durch die Siedlung, der letzte offenbar das jetzt wieder dunkle Treppenhaus.
    »Was soll denn die Artillerie, Mensch?«, sagte Igor.
    Prinz betrachtete den Monitor mit Ollie, der nach diesen Worten hektisch nach der Kamera suchte, die irgendwo in der Wand über ihm verborgen sein musste, sie schließlich fand und den Kopf schüttelte.
    »Muss ziemlich gutes Equipment sein«, sagte Prinz anerkennend. »Ollie hat beim ersten Check nichts entdeckt.«
    »Dachtet ihr, ich verlasse Heim und Herd, wenn ich nicht sehen kann, was da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher