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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
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zu Prinz, der entschied, das die Staatsgewalt machen zu lassen, und Hauptkommissar Buggert anrief.
    Es dauerte drei Tage, bis Experten mit speziellen Messgeräten feststellten, dass sich in Baginskis kleinem Arbeitszimmer im Keller, verborgen hinter einer Regalwand mit Gesetzestexten, aufwendige Elektronik befinden musste. Aber wo war das Steuerungsgerät?
    Buggert rief Prinz an, der mit Ollie und Desirée hinfuhr. Ollie nahm den Renoir-Druck von der Wand und zeigte auf den Safe dahinter. Prinz brauchte mehrere Stunden, um ihn zu knacken. Hinter der Safetür befand sich eine ungeheuer komplex wirkende Computeranlage, zahllose Knöpfe, Tasten, blinkende Lichter, ein ziemlich kleiner Monitor mit einer noch kleineren normalen Tastatur. Ollie schlug sich zwei Tage und drei halbe Nächte um die Ohren, bis er dahintergekommen war, wie es funktionierte.
    Dann schwang die Regalwand zur Seite, eine nicht erkennbare Tür öffnete sich, und dahinter fand sich Baginskis eigentliches Reich, eine Anlage aus mehreren Räumen mit noch mehr komplizierter Technik. Es wirkte fast ein bisschen wie das Hauptquartier des James-Bond-Bösewichts, in das 007 gegen Ende eindringt und hektisch an irgendeinem Gerät rumschraubt, um den Weltuntergang in letzter Sekunde zu verhindern, während ringsum alles in die Luft fliegt.
    Aber hier war niemand mehr, es bestand keine Gefahr.
    Als das Haus in den 1960er Jahren gebaut wurde, hatte der Bauherr und ursprüngliche Besitzer den alten Felsenkeller in einen Atombunker verwandelt, den Baginski, nachdem er das Haus in den 1990er Jahren gekauft hatte, offenbar ganz allein umgebaut hatte.
    Zu dem Zweck, hier Frauen gefangen halten und ständig filmen zu können.
    Es gab den annähernd runden Raum mit der Stahltür, dem abfallenden Estrichboden, der Matratze und der Nasszelle, dem Monitor und den Kameras und den Klappen. Daneben war eine Art vollautomatische Küche. Mit einem Programm konnten bis zu vierundzwanzig Mikrowellengerichte zubereitet und mitsamt Getränk über ein Laufband in das Fach hinter der Stahlplatte befördert werden, die dann in dem Raum automatisch aufging. Baginski konnte seine Opfer über mehr als drei Wochen notdürftig versorgen, während er verreist war. Oder im Gefängnis. Im Krankenhaus. Auf Gut Holdorf.
    Den ganzen Mechanismus hatte er über den Computer im Safe während des kurzen privaten Moments in Gang gesetzt, den die Kommissare Buggert und Schadow ihm in seinem Arbeitszimmer gewährt hatten.
    »Der Kangoo war mit lauter Fertiggerichten beladen, als er ihn an seinem ersten Abend zu Hause in die Garage setzte«, sagte Prinz zu Ollie. »Deshalb wollte er unbedingt wieder nach Hause, als er im Krankenhaus lag. Er wollte noch was haben von Miriam Bosch, die sonst verhungert wäre. Und wir dachten, es wäre Schnaps gewesen.«
    Daneben war eine Art Rumpelkammer, nur dass das Gerümpel ausschließlich aus Knochen bestand. Die Knochen konnten später zwölf weiblichen Skeletten zugeordnet werden. Die Rechtsmediziner vermuteten, dass Baginski die nackten Leichen in eine erhitzte Lauge gelegt hatte, wodurch sämtliches Gewebe in einigen Tagen verschwand. Baginski hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, Leichen im Keller.
    Es gab auch andere Räume, die Baginski für sich selbst nutzte: ein Schlafzimmer mit Monitor an der Wand gegenüber dem Bett, eine Art Wohnzimmer mit gemütlichen Sesseln, eine Wand war eine Bar, eine andere bestand aus lauter Monitoren. Neben dem luxuriösen Bad war ein Lagerraum, indem er offenbar seine Filme in Regalen aufbewahrt hatte, am Kopfende ein Arbeitsbereich zum Bearbeiten und Digitalisieren von Filmen.
    Die Regale waren leer. Die Festplatten ausgebaut.
    Er hatte alle seine Filme mitgenommen.
    An einem strahlend schönen Maisonntag blühten die Rapsfelder rund um das Gut Holdorf, die Wiesen waren mit Löwenzahn übersät. Beim abendlichen Festmenü (Kaiserschoten-Spargel-Cocktail, kleine Räucherlachsquiche, Putenmedaillons nach Wellington-Art mit warmem Möhrensalat und Erdbeersoufflé) wollte aber keine rechte Stimmung aufkommen. Professor Rind war gar nicht anwesend; er laborierte noch an seiner kompletten Fehleinschätzung Baginskis.
    »Aber wir haben doch nicht versagt«, sagte Ingrid. »Wir haben alles herausgefunden.«
    »Bloß ist uns ein Serienmörder durch die Lappen gegangen«, sagte Prinz, »und der Richterin können wir nicht nachweisen, was wir annehmen.«
    »Unbehagliche Vorstellung«, meinte Herbert Viehmann, der ehemalige Justiz- und
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