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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch
Autoren: Stefan Wolf
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andern ihm drohten. Aber genützt hat das nicht
viel. Die andern machten weiter. Beim nächsten Einbruch wurden sie gefaßt. Man
wies ihnen nach, daß auch vorherige Verbrechen auf ihr Konto gingen, und die
ehemaligen Komplicen hatten nichts Eiligeres zu tun, als meinen Vati zu
verraten.“
    „Sowas nennt man Ganovenehre“,
sagte Tarzan durch die Zähne.
    „Er wurde verhaftet“,
schluchzte Anke, „kam für drei Jahre ins Gefängnis, wurde aber wegen guter
Führung vorzeitig entlassen. Das war vor 15 Jahren. Er lernte meine Mutti
kennen. Sie heirateten. Ich wurde geboren. Meine Geschwister kamen nach. Und
mein Vati hat seitdem so ehrlich gelebt — ehrlicher geht’s nicht. Er würde
nicht mal ein Zehn-Pfennig-Stück behalten, wenn er es irgendwo findet. Daß er
ein Krimineller war, hat er bitter bereut.“
    „Dann ist doch alles gut“,
meinte Klößchen. „Über die Vergangenheit wächst Gras.“
    „Nicht, wenn man vorbestraft
und damit aktenkundig ist“, sagte Anke. „Und jetzt ist es zur Katastrophe
gekommen. Gestern abend wurde in eine Villa draußen in Siebenkirchen
eingebrochen. Der Täter — es war vermutlich nur einer — drang durch ein
vergittertes Fenster ein. Das heißt, er zwängte sich durch ziemlich enge Stäbe.
Nach derselben Methode sind die Einbrecher vorgegangen, für die mein Vati
damals gearbeitet hat. Es war, wie es heißt, ganz seine Handschrift. In der
Villa wurden Schmuck und 40 000 Mark Bargeld gestohlen. Und Kommissar Reichart,
der den Fall untersucht, wußte wohl auch gleich, daß nur zwei Personen dafür in
Frage kommen: entweder ein gewisser Gert Priewe, erst 18 Jahre alt, aber
bereits vorbestraft, oder...“
    Sie brachte es nicht über die
Lippen.
    Leise ergänzte Tarzan: „Oder
dein Vater.“
    Nach einem Moment der Stille
setzte er hinzu: „Aber da sollte doch die Wahl nicht schwer fallen. Wieso
verfällt dieser Reichart auf ihn und nicht auf Priewe.“
    „Priewe hat ein Alibi“, sagte
Anke.
    „Und dein Vater nicht?“
    „Kein richtiges. Es läßt sich
nicht nachweisen.“
    „Hinzu kommt“, mischte sich
Gaby ein, „daß Ankes Vater das Geld dringend gebraucht hätte. Das unterstellt
man ihm als Motiv.“
    „Wenn es danach ginge“, meinte
Tarzan grimmig, „könnte ich jeden Tag zum Einbrecher werden.“
    „Priewes Alibi ist auch nur
dünnes Eis“, sagte Anke. „Ein anderer Ganove beschwört nämlich, er wäre den
ganzen Abend bei Priewe gewesen - und sie hätten gezecht. Das kann natürlich
gelogen sein. Mein Vati dagegen war zwischen halb elf und elf
mutterseelenallein.“
    „Um diese Zeit war der
Einbruch?“ fragte Tarzan. „Ungefähr. Die Besitzer der Villa kamen um 22.55 Uhr
zurück. Sie sahen noch, wie eine schemenhafte Gestalt hinter den Büschen im
Garten verschwand. Und gegen 22.20 Uhr war der Hausherr selbst noch mal kurz in
der Villa gewesen. Um einen Prospekt zu holen, den er Bekannten zeigen wollte.
Die wohnen in derselben Straße. Die Bestohlenen waren dort eingeladen.“
    „Damit läßt sich genau
eingrenzen“, ergänzte Gaby, „wann der Einbruch verübt wurde.“
    Anke seufzte und nickte.
    „Wo war denn dein Vater?“
wollte Tarzan wissen.
    „Ihm war nicht gut. Deshalb
ging er an die frische Luft.“
    „Wenn er spazieren ging, muß
ihn doch jemand gesehen haben!“
    „Er ging nicht spazieren. Erst
war er in einer Gastwirtschaft, wo er ein Bier trank. Dann hielt er es dort
nicht mehr aus. Er fühlte sich elend. Sein Kreislauf streikt manchmal. Dann
wird ihm so taumelig, daß er kaum geradeaus gehen kann. Er kaufte sich noch
eine Flasche Bier und ging in den Klostertaler Park. Der ist ja bei uns in der
Nähe. Ebensogut hätte er natürlich auch in den nahen Vorort Siebenkirchen
fahren können, um dort den Einbruch zu machen — sagt Kommissar Reichart. Und was
mein Vati dann im Park wirklich erlebt hat, das klingt so märchenhaft — der
Kommissar hat ihn ausgelacht.“
    Eisern zwang sich Tarzan zur
Ruhe. „Ich nehme an“, sagte er, „dein Vater wurde überfallen.“
    „Bist ein schlauer Kopf“,
meinte Gaby, ohne zu lächeln, denn so war die Situation nun wirklich nicht.
„Aber was du vermutest, ist ja verhältnismäßig naheliegend.“
    „Weniger naheliegend ist“,
sagte Tarzan, „daß es sich um einen hellblonden Kerl gehandelt hat, der von
hinten an die Bank heran schlich, auf der Ankes Vater sein Bier trank.
    Aber bevor der Blonde
zuschlagen konnte, kam Hilfe. Der Räuber wurde von einem Radfahrer vertrieben.“
    Verblüfft
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