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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch
Autoren: Stefan Wolf
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Linde. Von
dort, aus sicherer Höhe, beschimpften sie ihn, was die Schnäbel hergaben.
    Karl traf ein und staunte, als
er hörte, was sich seit Beendigung seiner Party zugetragen hatte.
    „Und jetzt fahren wir alle zum
Zoo“, schlug Tarzan vor, denn das war ja ursprünglich ihr Plan gewesen.
    Anke kam mit, Oskar auch.
Angeleint lief er neben Gabys Rad.
    „Ich freue mich so“, rief Anke,
„daß ich dabei sein kann. Es ist ein herrlicher Tag — für meine ganze Familie.“
    Leider täuschte sie sich. Die
Gewitterwolken über der Familie Dürrmeier hatten sich nicht verzogen. Im
Gegenteil. Immer neue kamen hinzu. Immer schwärzer wurde der Himmel.

4. Der König der Einbrecher
     
    Es ist nicht die Regel, daß ein
Gefängnisinsasse ausgerechnet am Sonntag entlassen wird. Es ist sogar eine
höchst seltene Ausnahme.
    Aber durch einen Schreibfehler
hatte sich das heutige Datum in die Entlassungspapiere eingeschlichen. Deshalb
bestand Malowitz darauf, daß man ihn heute auf freien Fuß setze und nicht erst
morgen früh.
    Morgensonne beschien die
häßlichen, betongrauen Gefängnisgebäude, die von einer hohen Mauer umfriedet
wurden.
    Der Justizwachtmeister biß noch
einmal in sein Leberwurstbrot, legte es auf die Schreibtischkante, stand auf
und kaute gemächlich.
    „Komm, Sigi!“ sagte er, während
er voranging. „Dir winkt jetzt die Freiheit.“
    Sigi Malowitz, der berüchtigte
Einbrecherkönig, folgte ihm. Er trug seinen kleinen Koffer an der Hand.
    Der Wachtmeister öffnete die
Stahlblechtür neben dem Tor und trat zur Seite.
    „Ich sage nicht ,Auf
Wiedersehen!’, Sigi. Jedenfalls kein Wiedersehen hier.“
    „Bestimmt nicht!“ Malowitz
grinste schief.
    „Alles Gute!“ sagte der
Wachtmeister noch.
    Aber Malowitz hatte sich grußlos
abgewandt. Mit hastigen Schritten überquerte er den Vorplatz. Sein Ziel war die
Bushaltestelle.
    Mistkerl! dachte der
Wachtmeister, während er ihm nachblickte. So was wie dich sollte man nicht
nochmal auf die Menschheit loslassen. Garantiert sehen wir uns wieder. Und zwar
HIER.
    Sorgfältig schloß er die Tür
ab. Dann ging er zu seinem Wurstbrot zurück.
    An der Bushaltestelle wartete
eine Frau mit ihrem etwa vierjährigen Jungen. Neugierig starrte der Kleine den
Haftentlassenen an.
    „Mami“, fragte er laut, „ist
das ein Zuchthäusler?“ Immerhin hatte das aufgeweckte Kerlchen beobachtet,
woher Malowitz kam.

    „Sei endlich ruhig!“ sagte die
Frau nervös.
    Aber Malowitz sagte: „Ja, ich
bin einer. Und wenn du mich anstarrst, dann fresse ich dich, so wie du
bist.“
    Erschrocken versteckte sich der
Kleine in einer Mantelfalte seiner Mutter. Die Frau war froh, daß der Bus in
diesem Moment kam.
    Malowitz, der König der
Einbrecher, löste bis zum Bahnhof und setzte sich in die letzte Reihe. Dann sah
er hinaus. Aber die frühlingsfrischen Felder interessierten ihn nicht. Er hing
schwarzen Gedanken nach, Plänen, die jeden ehrlichen Menschen entsetzt hätten.
    Am Bahnhof der kleinen
Provinzstadt stieg er aus. Von dem Geld, das er mit Tütenkleben — oder anderer
Gefängnisarbeit — verdient hatte, löste er eine Fahrkarte zur Landeshauptstadt,
jener Großstadt, in der er wieder ,ganz groß absahnen’ wollte.
    Bis zur Abfahrt blieb noch
etwas Zeit.
    Malowitz schlenderte durch die
Halle. Als er einen älteren, nobel aussehenden Herrn entdeckte, stellte er sich
grätschbeinig vor ihn.
    „’tschuldigung!“ sagte er durch
die Zähne. „Ein Haftentlassener bittet um eine Gabe! Ich habe keine Arbeit und
kein Dach überm Kopf, aber Hunger!“
    Verwirrt zog der alte Herr
seinen Geldbeutel hervor. Eine Mark wollte er geben. Als er einen warnenden
Blick aus den harten Augen auffing, hielt er ein Fünf-Mark-Stück hin.
    Malowitz murmelte etwas, machte
kehrt, .ging grinsend zum Kiosk und kaufte eine Taschenflasche mit Schnaps. Während
er ungeniert trank, schlenderte er zum Bahnsteig.
    Der Zug lief ein. Malowitz
suchte sich einen Fensterplatz im Erster-Klasse-Abteil. Er war nie anders als
Erster Klasse gefahren — es sei denn, er saß in einem Acht- oder Zwölfzylinder
neuester Bauart. Mit dieser Art Lebensstil wollte er auf keinen Fall brechen.
Das war er seinem Ruf und seinem Geschmack als Einbrecherkönig schuldig.
    Schließlich waren es Vermögen,
die er zusammengeklaut hatte. Freilich — ebenso schnell war ihm das Geld durch
die Finger geronnen. Und dann hatten sie ihn gefaßt.
    Aber in Zukunft wollte er
klüger sein. Ihn würde keiner mehr erwischen. Die letzten drei
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