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Der Schlangenmensch

Der Schlangenmensch

Titel: Der Schlangenmensch
Autoren: Stefan Wolf
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Argument konnte sich
niemand verschließen.
    Wer barfuß oder in Strümpfen
war, zog seine Schuhe an.
    Inge und Bärbel wollten das
Geschirr abräumen, aber Karl wehrte ab.
    „Laßt nur! Das mache ich morgen
früh.“
    Pullover und Jacken lagen im
Vorraum. Jeder holte sich, was ihm gehörte.
    Die Horde stürmte die Treppe
hinauf. Frau Vierstein wartete lächelnd im Flur. Die Kinder bedankten sich.
    Karl — als Gastgeber — stand an
der Haustür und verabschiedete jeden.
    „War dufte, Karl!“ hieß es.
„Einfach Klasse! Auf ein neues! War der schönste Abend seit gestern“, meinte
ein Spaßvogel.
    Gaby und Tarzan gingen als
letzte.
    Als sie mit ihrem Freund Karl
vor der Haustür standen, hatten sich die anderen schon auf die Räder
geschwungen. Im Licht der Fahrradlampen rollte die Meute durch die
Garageneinfahrt zur Straße, zu der stillen, lauschigen Lindenallee.
    „Und nicht ein einziges Glas
ist kaputt gegangen“, sagte Karl stolz.
    „Das zeugt von guter
Kinderstube“, lachte Gaby, „besonders wenn man bedenkt, daß wir aus
Picknick-Pappbechern getrunken haben.“
    „Richtig. Stimmt ja! Aber die
Teller... Nee! Auch das war Pappe. Naja, meine Mutter ist nun mal vorsichtig.
Außerdem erspart es den Abwasch.“
    Tarzan sah auf die Armbanduhr.
„Wir müssen los. Wenn ich nicht spätestens halb elf im Internat bin, macht mich
der EvD (Erzieher vom Dienst) zur Schnecke.“
    Er schlug Karl auf die
Schulter. „Bis morgen, Computer!“
    Computer — das war Karls
Spitzname: eine Würdigung seines unglaublichen Gedächtnisses, das er vermutlich
von seinem Vater, dem Universitätsprofesser, geerbt hatte. Karl vergaß nichts.
Sein Wissen war gewaltig. Was gelegentlich dazu führte, daß er endlose, mit
wissenschaftlichen Tatsachen gespickte Vorträge hielt. So interessant das war —
manchmal nervte es.
    Jetzt schlang Karl die
überlangen Arme um seine lattendürre Gestalt.
    Fröstelnd meinte er: „Also,
jetzt noch nach Hause strampeln. Ich hätte keine Lust. Ich freue mich auf mein
Bett.“
    Gaby gähnte hinter
vorgehaltener Hand. „Ich mich auch.“
    „Dann komm, Pfote!“ Tarzan
sprang die Stufen hinab.
    Es war Mitte April, aber
ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, obwohl man immer noch mit Schneeschauern
rechnen mußte.
    In dem großen Garten der
Viersteins zeigten Büsche und Sträucher schüchtern ihre Knospen. Die schwarze
Erde roch frühlingshaft. Und die hohen Tannen hinter der Villa hatten den
Winter trotz gewaltiger Schneelasten gut überstanden.
    Tarzan lief zur Garage, wo an
der Seitenwand die Räder standen. Gaby, genannt Pfote, kam nach.
    Dieser Spitzname bezog sich auf
ihre Tierliebe. Besonders an Hunde hatte sie ihr Herz gehängt. Wo immer sie
einen traf — er mußte ihr die Pfote geben, was erstaunlicherweise auch —
fast — alle taten. Wer so in Hunde vernarrt ist, hat natürlich einen Vierbeiner
zu Hause. Gabys Hund hieß Oskar. Es war ein schwarz-weißer Cocker Spaniel. Sie
hatte ihn aus dem Tierheim geholt. Oskar war ein Fundhund gewesen. Mitleidslose
Menschen hatten ihn ausgesetzt. Leider war er auf einem Auge erblindet. Aber
das fiel kaum auf, zumal er über vortrefflichen Geruchssinn verfügte.
    Gaby und Tarzan stiegen auf
ihre Räder.
    Als sie zur Straße fuhren,
winkte Karl ihnen nach. Dann schloß sich die Haustür hinter ihm.

    Sie fuhren nebeneinander. In
diesem stillen Viertel am Stadtrand war das möglich. Aber je mehr sie sich der
Innenstadt näherten, um so häufiger begegneten ihnen schnelle Autos und
Motorräder. Und nicht alle Fahrer schienen ganz nüchtern zu sein.
    Daß Tarzan seine TKKG-Freundin
nach Hause brachte, war selbstverständlich. Auf den Straßen einer riesigen
Großstadt wie dieser ist es für Frauen und Mädchen nach Anbruch der Dunkelheit
viel zu gefährlich - jedenfalls ohne Begleitung.
    Für Tarzan bedeutete das einen
gewaltigen Umweg, denn er mußte noch zur Internatsschule hinaus, und die lag
außerhalb der Stadt inmitten grüner Natur — reichlich 20 Trablaufminuten von
den letzten Häusern entfernt.
    Auch Gaby und Karl, die bei
ihren Eltern wohnten, besuchten die Internatsschule — jedoch als ,externe’
Schüler. Das bedeutet: Sie kamen jeden Morgen mit Rad oder Schulbus zum
Unterricht — je nach Wetterlage — und fuhren mittags wieder heim.
    Tarzan dagegen war
Internatsschüler. Er wohnte in der großen Heimschule. Sein Zuhause lag viele
Bahnstunden entfernt. Nur während der Ferien sah er seine Mutter. Sein Vater,
ein Diplom-Ingenieur,
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