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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo
Autoren: A.E. Hotchner
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Vereinigten Staaten abzuschieben, trotz allem
zur verzweifelten Zielscheibe meiner lange und mühselig ausgearbeiteten
Pläne. Mein Dilemma war nur: übte ich keinen Druck auf ihn aus, lehnte
er meine kniffligen Forderungen womöglich ab, setzte ich ihm jedoch
hart zu, ließ er mich vielleicht endgültig fallen.
    »Nun reg dich ab«, sagte Dan und bestätigte damit meine
Überlegungen. »Wie lange bist du jetzt draußen? Noch nicht einmal
vierundzwanzig Stunden. Laß dir ein paar Tage Zeit zum Entspannen, zum
Eingewöhnen. Du hast mir einmal sehr geholfen, als ich in einer üblen
Klemme steckte, und ich werde mich dafür revanchieren. Aber um Himmels
willen, fall nicht so über mich her.«
    »Tut mir leid, Dan. In zwanzig Jahren Frustration staut sich
eine Menge Dampf auf.«
    »Hast du Geld?«
    »Zweihundert St.-Louis-Schuhdollar plus den dreitausend Lire,
die mir ein dankbarer und liebevoller Gefängnisdirektor überreicht hat.«
    »Damit wirst du nicht weit kommen. Ich würde dich ja gern bei
mir aufnehmen, aber Lisa, meine Tochter, hat alle vier Mitglieder von
›The Orgasms‹ eingeladen.«
    »Von den was?«
    »Gehört auch zu der neuen Kulturrichtung, die du verpaßt hast.
Ich kann dir ein gutes, billiges Zimmer im Inghilterra besorgen; der
Geschäftsführer schuldet mir einen Gefallen. Wir selbst haben heute
abend einige Leute zum Essen; komm bitte so gegen neun. Dann wirst du
auch Natalie kennenlernen und außerdem ein paar verflixt gute Mädchen,
bei denen du möglicherweise landen könntest. Aber bitte nicht in diesem
komischen Anzug.«
    »Ich möchte dich darauf hinweisen, daß unser
Gefängnisschneider persönlich dieses Gewand kreiert hat.«
    »Gewiß, und vielleicht könntest du damit auch den
Lucky-Luciano-Preis für die geschmackvollste Aufmachung gewinnen, doch
heute abend überlaß es bitte mir, mich um die Eleganz deiner
Erscheinung zu kümmern.« Mit einem langen, erbitterten Blick musterte
er meinen Haarschnitt. »Am besten solltest du einen Turban tragen«,
fand er. Als wir dann aufstanden und gehen wollten, entdeckte er noch
meine Tragtasche, die ich vor ihm zu verbergen suchte. »Das ist aber
ein wirklich auserlesenes Stück«, meinte er. »Ehrlich, kein Mensch wird
behaupten können, daß du, Paul Selwyn, nicht wieder ganz von vorn
angefangen hast.«
    Das Zimmer im Inghilterra lag im obersten
Stock. Seine Glastüren gingen auf einen ganz gewöhnlichen, schmalen,
mit Geranien bepflanzten Balkon hinaus, der an der Frontseite des
Gebäudes entlanglief. Das Gefühl, das mich überkam, als ich aus dem
kleinen, dunklen Raum, der dreimal so groß war wie meine Zelle in Santo
Stefano, auf den strahlend sonnigen Balkon hinaustrat, den weiten
Himmel über mir und den Lärm des Straßenverkehrs sechs Stockwerke
tiefer unten, ähnelte dem beim ersten Glas Scotch ein paar Stunden
zuvor. Ich pflückte eine der großen roten Geranien, deren stark
würziger Duft das Hochgefühl dieses Augenblicks noch steigerte. Die
alten Dächer Roms, von denen keins dem andern glich, mit ihren schiefen
Ventilatoren und den von Keramik gekrönten Schornsteinen ringsum boten
einen Anblick, der mich an Paris erinnerte. Ich schaute auf die Straße
hinab, und es fiel mir ein, daß ich im Grunde erwartet hatte, überall
Vespas herumsausen zu sehen. Doch anscheinend gehörten auch sie der
Vergangenheit der fünfziger Jahre an, denn jetzt wimmelte Rom von
kleinen Fiats, die emsig nach allen Richtungen vorbeikrochen wie
Ameisen auf einem Baumstamm.
    Ich trat ins Zimmer zurück und schlug das Bett auf. Dann
kniete ich nieder und legte die Wange auf das kühle, weiche Laken.
Dieser Tag war randvoll von Sinneseindrücken, die ich einzeln in mich
aufnahm und auskostete, wie man im Garten eine bestimmte Blume
auswählt, sie pflückt, an ihr riecht und sie betrachtet, bevor man sie
sorgfältig in den Blumenkorb legt. Aber das weiche, straff gespannte
Laken mit dem ganz besonderen Duft von Sauberkeit, den ein heißes
Bügeleisen hinterläßt, war die Blume, die den Korb zum überquellen
brachte. Tränen strömten mir über die Wangen und bildeten einen nassen
Fleck auf dem weißen Laken. Ich hatte nicht mehr geweint, seit ich ein
Junge war, und eigentlich wußte ich auch jetzt nicht, warum ich weinte.
Vielleicht über all die Nächte, in denen mein Körper erschauerte, wenn
er mit den ungebügelten, sackleinengleichen Bettbezügen der
Zuchthauspritsche in Berührung kam. Es gibt im Zuchthaus vieles, an das
man sich niemals gewöhnen kann,
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