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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker
Autoren: Ronald Gutberiet
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liegend wieder. Vielleicht träumte er ja auch oder hatte eine Erscheinung, jedenfalls bemerkte er im Liegen und recht benommen einen flackernden Schein hinter dem Spalt unter der Tür seines Kerkerraums. Er hörte das Klimpern eines Schlüsselbunds und sah, wie die Tür aufgeschoben wurde. Das Feuer einer Fackel blendete ihn, der dalag und unfähig schien, sich zu bewegen. Hinter dem grellen Licht tauchten die Umrisse einer Frau auf. Ihr strohblondes Haar war zu Zöpfen geflochten, die um den Kopf herum aufgesteckt waren. Sie trug ein enges Kleid und einen Nuschenmantel wie eine Städterin. Der Mantel wurde von einer Brosche zusammengehalten – die Kogge mit den drei Symbolen für Glaube, Liebe und Hoffnung. Neben der Frau tauchte die schwankende Hünengestalt Störtebekers auf.
    »Das also ist dein Gefangener«, sagte die Frau und senkte die Fackel, um den am Boden Liegenden besser zu beleuchten. »Ein ansehnlicher junger Mann.« Sie nuschelte leicht.
    Der Seeräuberhäuptling lehnte sich gegen die Mauer.
    »Er bewegt sich nicht«, sagte die Frau. »Ist er krank?«
    Störtebeker gab nur ein Grunzen von sich.
    »Sollten wir ihm nicht etwas zu essen geben und ihn den anderen zeigen? Wigbold sagt, er sei ein sehr gebildeter junger Mann. Vielleicht kann Keno ihn gebrauchen.«
    »Lösegeld«, stieß der Pirat mürrisch hervor. »Das ist es, wozu er gut ist.«
    Die Frau ging in die Hocke und hielt die Fackel so dicht an den Gefangenen, dass dieser spürte, wie seine Haut verbrannte. Er zuckte heftig zurück und rutschte zur Seite. Die Frau erschrak durch seine heftige Bewegung, verlor das Gleichgewicht und fiel neben ihn. Die Fackel entglitt ihr. Sie war so dicht neben ihn gefallen, dass er den Bierdunst riechen konnte, der ihr entströmte. Sie musste genauso betrunken sein wie ihr Begleiter. Dennoch sah sie schön aus, begehrenswert schön sogar.
    Der Teppich fing Feuer. Störtebeker versuchte mühsam, die Frau hochzuziehen, aber sie fielen beide hin. Der Seeräuber geriet mit der Hand ins Feuer, fluchte und schlug den Brand mit der flachen Hand aus und griff nach der Fackel. Die Frau saß daneben und sah ihm zu. Mühsam und ungeschickt steckte er die Fackel in eine Halterung an der Wand und kniete sich hin, um die Frau unter den Achseln zu packen und aufzurichten.
    Arm in Arm taumelten sie zur Tür. Der Seeräuber zog die Fackel aus der Halterung, und sie verschwanden nach draußen. Laut krachend schlug die Tür hinter ihnen zu.
    Es dauerte eine Weile, bis Jan Burchard begriff, dass sie vergessen hatten, von außen den Riegel vorzuschieben.
    Die Angst vor der Freiheit kroch in ihm hoch. Sollte er alles riskieren? Er setzte sich hin und starrte im Dunkeln zur Tür, die er im schwachen Schein des Mondlichts, das durch die Fenster fiel, kaum erkennen konnte. Er zitterte. Der Wind wehte einen stetigen kalten Hauch in sein Gefängnis. Der Lärm der Feiernden im Kirchhof wurde leiser, verebbte langsam, bis nur noch gelegentliches Lachen, Singen und Gröhlen ertönte. Schließlich erstarb auch das.
    Jan Burchard stand auf und trat ans Fenster. Im Osten kündigte ein leicht rötlicher Schimmer den neuen Tag an. Unten im Kirchhof lag das schlafende Seeräuberpack. Keiner rührte sich. Die Feuer waren heruntergebrannt, schmale Rauchschwaden stiegen nach oben, die Knochen des Ochsen lagen in der Asche. Es war totenstill.
    Jan Burchard entdeckte einen Umhang und warf ihn sich über. Er zögerte, fasste sich ein Herz und schob die Tür des Turmzimmers auf. Sie knarrte und quietschte leicht. Langsam stieg er die Treppe nach unten. Es knirschte leise unter seinen Sohlen.
    Als er unten angekommen war, erstarrte er vor Schreck. In der offenen Tür saß Störtebeker und glotzte ihn an. Auf seinem Schoß lag Helga ten Broke und schnarchte laut. Der Anführer der Piraten schien ihn nicht zu bemerken, er glotzte ins Nichts. Jan Burchard starrte die blonde Helga an, deren Gewand auseinander gefallen war und eine runde, feste Brust freigab. Er riss sich von dem Anblick los, stieg über die beiden hinweg und trat nach draußen. Seine Füße verhedderten sich in einem Stofffetzen. Es war der Umhang von Störtebekers Frau. Als er sich bückte, um seine Füße daraus zu befreien, fiel sein Blick auf die funkelnde Brosche. Glaube, Liebe, Hoffnung. Seine Hand zuckte. Er warf Störtebeker einen Blick zu, doch der mit offenen Augen schlafende Pirat knurrte nur drohend. Burchard sprang zu Tode erschrocken auf und hastete auf Zehenspitzen über den
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