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Der Rat der Zehn

Titel: Der Rat der Zehn
Autoren: Jon Land
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Außer, daß sich in letzter Zeit – man kann sagen, in den letzten paar Jahren – die Stadt zur Hauptstadt der Kriminalität des Landes entwickelt hatte. Fragte man Lantos, waren die Ausländer daran schuld – Latinos, Kolumbianer, Kubaner und Kombinationen davon. Werft sie alle hinaus, und Miami wird wieder seinen alten Glanz und Zauber zurückerlangen!
    Lantos hatte oft einen Wechsel ins Auge gefaßt, aber es kam nie dazu, weil er Miami kannte und ein neues Gebiet, selbst bei all seiner Erfahrung, schwer zu meistern sein würde. Er kannte jede Straße, jede Gasse und jeden Hinterhof in Miami. Und er hatte nie etwas davon zweimal benutzt. Nie hatte er ein Muster hinterlassen, das ihn kennzeichnen konnte. Selbst wenn sie es versuchten – nun, Lantos war auch darauf vorbereitet.
    Das Problem mit gehalfterten oder in Scheiden steckenden Waffen war das Ziehen. Sollte eine Waffe effektiv sein, mußte man sie jederzeit parat haben. Aber wie? Lantos lächelte bei der Erinnerung daran, wie er sich vor Jahren diese präzise Frage gestellt hatte. Die Antwort war gewesen, drei rasiermesserscharfe, vier Zoll breite Klingen in seine Aktentasche zu montieren – nicht an die Vorder- oder Rückseite, sondern an die Seite, die ein Maximum an Manövrierfähigkeit bot. Durch Drücken eines Knopfes auf dem Schloß, direkt neben dem Griff sprangen die Dolche heraus. Angreifer wußten nie, was sie traf. Das Objekt, hinter dem sie her waren, wurde zum Werkzeug ihres Todes. Lantos gefiel die Gerechtigkeit, die darin lag. Er hatte die Tasche oft als Waffe benutzt und immer mit Erfolg.
    Er hörte die sich von hinten nähernden Schritte einen Moment bevor sie bei ihm waren. Lantos spürte, wie sich seine Nackenhaare spreizten, als er den Knopf drückte. Die drei Dolche, millimeterdicht beieinander, sprangen heraus. Nun verlor er keine Zeit mehr. Er drehte sich um und schwang die tödliche Waffe mit einer blitzartigen Bewegung, um den Gegner völlig überraschend zu treffen.
    Aber der Gegner war schon verschwunden, ein verschwommener Fleck, der vorbeiwirbelte, mit etwas Glänzendem in der Hand, eher ein Schatten als eine Gestalt. Lantos schwang seine tödliche Aktentasche in einem weiten Bogen. Sie sauste durch die Luft und traf wieder nichts, als ein starker Arm ihn von hinten packte und nach hinten riß. Das Messer drang in seinen Rücken ein und machte einen sauberen Schnitt direkt in sein Herz. Selbst sein Griff um die so sehr beschützte Aktentasche löste sich am Ende.
    Der Schatten bückte sich, um sie aufzuheben, und ging in die Nacht hinein.
    Doris Kaplan spürte, daß der Mittwoch ein schlechter Tag werden würde, noch ehe der Telefonanruf kam. Dienstagabend war sie früh ins Bett gegangen, aber gegen drei Uhr morgens gab sie es auf, um ihren Schlaf zu kämpfen, und drehte den Kabelnachrichtenkanal an. Sie sah abwesend zu, bis der Himmel seine erste Helligkeit hinter den Jalousienblenden zeigte, und fiel schließlich in einen unruhigen Schlummer, in dem die Worte des Sprechers die Träume bestimmten.
    Allein in der Dunkelheit des Schlafzimmers aufzuwachen war viel schrecklicher, als überhaupt nicht schlafen zu können. Es war ausgerechnet Sophie, die sie in dieser Angelegenheit beraten hatte: Schlaf immer mit einem Glas Wasser auf dem Nachttisch. Wasser trinken, sagte Sophie, war das beste, um wieder zur Ruhe zu kommen, wenn man in der dunklen Einsamkeit erwachte. Doris hatte herausgefunden, daß das Wasser genauso wirkte, wie es Sophie versprochen hatte. Sie deponierte ihre roten Lebenspillen neben dem Glas, für den unwahrscheinlichen Fall, daß sie eines Nachts doch benötigt würden.
    Das Telefonklingeln rüttelte sie aus dem Schlaf. Sie fühlte sich steif und kalt in ihrem Sessel. Es war kurz nach neun. Mit rebellierenden Gelenken stolperte sie zum Telefon neben ihrem Bett.
    »Hallo?«
    »Doris.« Die Stimme war weich, unterbrochen von etwas, das wie Schluchzen klang.
    »Wer … Sylvia, bist du das? Was ist passiert?«
    »Sie ist tot, Doris«, klagte Sylvia. »Sophie ist tot …«
    Die Polizei war schon da, als Doris in Sophies Apartment im Embassy Drive in West Palm eintraf. Sylvia, die im Wohnzimmer saß, wurde von einem Polizisten beruhigt. Erinnerte sie sich nicht daran, daß Sophie nie das Wohnzimmer benutzt hatte? Wenn Besucher kamen, saßen sie in der Küche oder im Arbeitszimmer, niemals hier. Sophie hätte sonst einen Raum mehr sauberhalten müssen.
    »O Doris!« schrie Sylvia auf. Doris umarmte sie und
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