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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Autoren: Leif GW Persson
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Herbst, Winter und im zeitigen Frühjahr, ehe wir zu Abend essen, machen Papa und ich lange Spaziergänge. Oft gehen wir in den Lill-Jansskogen und halten nach Wild und Vögeln Ausschau. Wir nehmen immer das Schiffsfernglas meines Urgroßvaters mit. Mein Urgroßvater Gustav Gotthard hatte es als Flussschiffer in den USA gekauft. Auf seinem Kahn transportierte er Weizen den weiten Weg von Chicago zum Atlantik. Das Fernglas schenkte er Papa, als er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Schweden zurückkehrte, da sein eigener Sohn, mein Großvater Gustav Willehardt, bereits 1922, da war mein Vater gerade mal neun Jahre alt, bei einem Unfall ums Leben gekommen war.
    Alle Männer in der Familie meines Vaters haben Gustav geheißen, jedenfalls so lange sich jemand erinnern kann. Mein Urgroßvater Gustav Gotthard, mein Großvater Gustav Willehardt, mein Vater Gustav Vilhelm, ich selbst, Leif Gustav Willy.
    Als ich Papa frage, warum ich nicht auch wie er Vilhelm heiße oder wie Großvater Willehardt, sagt Papa, dass man so nicht heißen konnte, als ich geboren wurde. Aber Willy sei kein Problem gewesen. Das hing mit dem Krieg zusammen, aber damals begriff ich nicht recht, wie.
    Das Schiffsfernglas ist groß und schwarz und mit Leder bezogen. Außerdem ist der Name des Schiffes meines Urgroßvaters, MS PARIS , mit Goldbuchstaben in das Leder geprägt. MS PARIS bedeutet Motorschiff Paris. Das hat Papa erzählt. Paris ist eine Stadt, die in Frankreich liegt, auch das hat Papa erzählt, und den Eiffelturm habe ich auf einem Bild in der Zeitung gesehen.
    Für einen kleinen Jungen sind das lange Spaziergänge, aber das macht nichts. Wenn ich müde werde, darf ich auf Papas Schultern sitzen, und hat er gute Laune, verwandelt er sich in ein Pferd, das das letzte Stück galoppiert, direkt in das Haus, in dem wir wohnen, während ich vor Lachen kaum noch Luft bekomme und seine großen Ohren als Zügel verwende.
    Ich halte Papa oft an der Hand. Das macht nichts, denn niemand sieht uns. Sein Daumen ist größer als meine ganze Hand, aber das macht auch nichts, weil ich meist seine Hand mit meiner umfasse und weil er mir nie wehtut, wenn er meine festhält. Ich gehe so wie bei der Beschaffenheit des Weges und mit meinen kurzen Beinen nur möglich, außer im Wald, wenn wir nach Wild Ausschau halten, dann schleichen wir wie Indianer. Ab und zu bleiben wir stehen, um ernsthaft mit Hilfe der MS Paris zu spähen, aber dann sehe ich fast nie etwas. Das Fernglas ist so groß und schwer, dass Papa mir helfen muss, es hochzuhalten.
    »Siehst du den Fuchs dahinten im Graben auf der anderen Seite der Wiese«, flüstert Papa und deutet.
    »Ja«, sage ich, obwohl es nicht stimmt, denn ich sehe immer nur ohne Fernglas.
    Am allerbesten ist es aber im Frühling unten am Frihamnen, wenn die vielen Schiffe einlaufen, weil draußen auf dem Meer kein Eis mehr liegt. Gleichzeitig setzen Sonne und Wärme alle Düfte frei, die sie mitgebracht haben. Ganz besonders sind jene Düfte, die mit den Frachtern von der anderen Seite der Erde hierher gelangen. Den Duft von Orangen und Bananen aus Afrika oder von Kaffee und getrockneten Tierhäuten aus Südamerika. Orangen duften nur süß und gut, Bananen haben einen etwas schweren, aber doch auch süßlichen Geruch. Der Kaffee riecht wie die Küche zu Hause, wenn Mama Kaffeebohnen mit der Kaffeemühle mahlt. Diese Kaffeemühle hat sie von Großvater, ihrem Vater, bekommen, weil er stets frisch gemahlenen Kaffee wünscht. Tierhäute riechen nicht gut, sondern stechen in der Nase. Ich schaue sie mir aber gerne an, weil sie wie riesige Stockfische aussehen. Sie riechen auch wie Stockfisch, obwohl man sie nicht essen kann. Sie werden zur Schuhfabrik Oscaria in Örebro transportiert, wo man sie zu Schuhen verarbeitet. Auch das hat Papa erzählt.
    Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich vermutlich den Geruch von Holz wählen. Holz duftet nach Schweden, es duftet nach Norrland, wo die ganze Verwandtschaft wohnt. Holz für die Zellstofferzeugung, zum Hausbau und für die Möbelherstellung. Gesägt, abgehobelt, mit Nut und Feder, Balken, Schwellen, Vierkantholz, Planken und normale Bretter, sogar Latten und fertige Leisten. Papa zeigt und erklärt. Er sieht fröhlich aus und streicht mit der Hand über die Bretter. Alle Bäume, die sich duftend stapeln und fast soviel Platz beanspruchen wie das Viertel, in dem wir wohnen.
    »Hier, Leifchen«, sagt er, »gibt es für Leute wie mich allerhand zu tun.«
    Ich erinnere mich sehr
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